Es regnet in der Früh. Also, so richtig! Wir haben es aber gar nicht eilig, es stehen nur ca. 25 km auf dem Programm. Nach Frühstücken, Packen, einiges Besorgen ist es dann schon nach 11 Uhr und der Regen hat aufgehört. Es bleibt allerdings grau, und das passt perfekt zur Strecke: Sie ist schlicht scheußlich. Viele Autos, Gestank, und Müll, böse Steigungen, Industrie und Gewerbe, kaum etwas Schönes zu entdecken auf dem Weg zur Fähre. Nach ca. 10 km wird die Straße 4-spurig. Immerhin gibt es dann auch einen separaten Radweg, was mich doch einigermaßen rettet.
Auch Puerto Montt selbst begeistert uns wenig. Wir wollen uns allerdings nicht lange aufhalten, wir wollen noch heute Abend mit dem Schiff weiter zur Carretera Austral, zum echten Abenteuer! Die Tickets sind schnell gekauft und nach einem Imbiss im Hafen, dem Einkauf all dessen, von dem wir denken, dass wir es auf den einsamen Strecken der nächsten Tage benötigen, ist dann auch schon Zeit zum Einschiffen.
Die Fähre braucht 8 Stunden bis nach Chaitén; sie ist geräumig und so gering ausgelastet, dass wir je über 3 Sitzen ausgestreckt relativ gut schlafen können.
7. Dezember
Puerto Varas nach Puerto Montt
25km, 235HM








Und schon sind wir in Puerto Montt am Hafen!
Puerto Montt ist nicht schön, aber es gibt an jeder Straßenecke Jongleure!
Unser Schiff liegt schon dort!
Abschied von Puerto Varas
Da unsere Wirtin in der Früh nach Osorno ins Krankenhaus muss, brechen wir früh auf. Es ist bedeckt und windstill, was uns nach gestern sehr freut. Gleich hinter dem Ort steigt die Straße in kurzen Wellen an. Aber unsere Form passt immer noch, wir kommen gut voran. Und die Landschaft begeistert uns und treibt uns an. Es wird immer wilder, immer grüner, und im Hintergrund blitzt immer wieder der Vulkan durch. Als wir nach 20km in Ensenada ankommen, sind wir total aufgekratzt, würden am Liebsten bleiben, den Osorno besteigen oder in die Berge hineinradeln. Wir trinken an der Straße Kaffee und diskutieren unsere Optionen. Dann fahren wir weiter, checken aber immer wieder Cabanas und Hostels aus. Aber es soll einfach nicht sein! Es findet sich nichts Passendes, wo wir jetzt am Vormittag schon einchecken könnten und Wäsche waschen sowie online gehen könnten. Also fahren wir weiter und planen, nach Puerto Montt durchzufahren.
Mittags machen wir eine lange Pause am Strand, bei dem Conni mehrmals baden gehen muss, um Abschied vom letzten der chilenischen Seen zu nehmen, die uns die letzten knapp zwei Wochen so sehr gefallen haben.
Als wir nach 2,5 Stunden wieder auf der Straße sind, ist es superheiß und es bläst unser Freund, der Südwind, mit der gleichen Wucht wie gestern! Wir wissen nicht recht, ob das die Stimmung verdirbt, oder die Strecke ist jetzt wirklich viel langweiliger ist. Jedenfalls macht das Radeln plötzlich keinen Spaß mehr.
Wir treffen einen jungen Mann, der sein Rennrad die Straße entlang trägt. Er macht eine pumpende Bewegung, ich nicke, und er kommt begeistert zu uns rüber. Er hatte einen Platten und die schicke Gaspatrone, die er statt einer Pumpe dabei hatte, hat wohl nicht funktioniert. Unsere Standpumpe begeistert ihn, wir unterhalten uns, und er ist verblüfft, dass wir nach Puerto Montt durchfahren wollen, statt im viel schöneren Puerto Varas zu übernachten. Das ist zwar etwa 3km abseits unserer Strecke; aber im Weiterfahren setzt sich der Gedanke durch, dass es mit diesem Wind einfach keinen Spaß macht, die 20km nach Süden bis Puerto Montt heute noch zu fahren. Wir ändern den Plan.
Allerdings empfängt uns Puerto Varas auf die ganz hässliche Art. Zunächst endet der Radweg, auf dem wir den gesamten heutigen Tag geradelt sind, am Ortseingang, und wir müssen uns durch dichtesten Feierabendverkehr kämpfen. Auch rechts und links der Straße wenig Schönes. Riesige Hotelburgen und eine Ballung teurer Läden und Lokale, wie wir sie allenfalls aus St. Moritz kennen. Aber Conni behält die Nerven und führt uns in die Straßenzüge, die etwas weiter von See entfernt liegen. Dort liegt die Altstadt, die hier etwa 150 Jahre auf dem Buckel hat. Es sieht aus, wie man es auf alten Fotos von zuhause kennt. Bald haben wir ein hübsches kleines Hotelzimmer bei einem uralten Mann gefunden, der uns auf Deutsch von seinen Großeltern erzählt, die 1884 aus Böhmen ausgewandert sind.
Am frühen Abend gehen wir zum Essen und erwandern dann den Ort, der deutlich sympathischer erscheint, wenn man satt und geduscht ist.
6. Dezember
Las Cascadas nach Puerto Varas
66,3km, 693HM












wilde Urwald-Landschaft im Nebel
...an der Steilwand!
Wasser schöpfen....
Der Weg führt durch einen Nationalpark
Schöne alte Häuser gibt es in Puerto Varas zu bewundern!
Dampftraktoren-Wiesenmuseum
Eisenbahnmuseum
es gibt einen 40 km langen Radweg: Mal endet er an Brücken, dann wieder haber wir sogar eine Extraspur für uns!
Abendstimmung am See
Weihnachtsdeko im blühenden Rosengarten


















Das Probe-Campen klappt ganz wunderbar! Ich packe natürlich auch meinen neuen Kocher aus, den ich letzte Weihnachten von meiner Tochter geschenkt bekommen habe, und siehe da: Es gibt wunderbare Spiegeleier zum Frühstück!
Allerdings dauert das Packen etwas länger als gewohnt, wenn auch Zelt und Matten und Schlafsäcke wieder in Ihre Tüten wollen. Und so ist es schon halb zehn Uhr als wir aufbrechen und bei strahlendem Sonnenschein entsprechend warm. Unser sehr netter, uralter Wirt am Campingplatz winkt uns amüsiert hinterher.
Die Landschaft gibt heute erst mal wieder ihr bestes um uns zu gefallen. Saftig-grüne Wiesen, Berge, in der Ferne gleich mehrere Vulkane, von denen der Osorno immer der dominanteste bleibt. Es ist nicht weit zum nächsten schönen See und wir machen nach ca. einer Stunde die erste Rast um die Aussicht zu genießen. Ein anderes Paar hat dasselbe beschlossen. Der Mann hat Allergie und niest kräftig. „Gesundheit!“ rutscht es mir raus. Er guckt verblüfft, grinst dann und sagt mit spanischem Akzent „dankeschon!“ Jetzt staune ich! Hier im Süden leben viele Deutschstämmige und ab jetzt versucht eigentlich stündlich jemand uns mit deutschen Wortbrocken zu erfreuen.
Nach dem See geht es eine lange Weile mittelsteil bergauf. Wir sind aber schon so sehr trainiert, dass es uns erfreulich wenig ausmacht. Die anschließende kilometerlange Abfahrt können wir so richtig genießen, wenn nicht plötzlich wieder starker Wind aufkäme. So strampeln wir halt mit 22 km/h bergab. Auch ok. Die Weiden neben der Straße sind voller Rindviecher. Eine riesige Herden Kälber galloppiert neugierig zum Zaun, als sie uns im Vorbeiradeln erspäht. Schaut extrem witzig aus!
Erste Schilder weisen wenig später darauf hin, dass wir uns ab jetzt in Nordpatagonien befinden. Aha. Daher weht der Wind! Selbiger muss uns jetzt mal so richtig zeigen, was das heißen kann! Wir kämpfen uns fürderhin im einstelligen km/h-Bereich voran. Erst am nächsten See wird es besser, wir drehen uns in eine andere Richtung und es gibt mehr Schutz gegen die sturmartigen Böen.
Der Lago LLanquihue ist einer der größten Seen Chiles und hat heute mehr Wellen zu bieten als die Adria an mittleren Tagen. Wir mitten uns im recht nichtssagenden Stranddörflein Las Cascadas eine nette Cabana und lassen den Tag mit Strandwandern, Kochen und einer Flasche Wein ausklingen.
5. Dezember
Entre Lagos bis Las Cascadas
60,9km, 452HM












Schöne blühende Landschaft
Seeabfluß von vorne...
...und hinten!
Der Osorno bleibt uns auch heute erhalten
Erste Rast des Tages: wie immer mit Seeblick
Eine nette Cabana bei netten Leuten
Abendstimmung am Strand in Las Cascadas






Was für ein Spaß! Wir sind kurz nach sechs wach, der Himmel über dem See ist wolkenlos blau, wir packen und frühstücken und sind vor acht unterwegs. Der erste große Anstieg nach nur 5km geht noch recht zäh , aber dann laufen die Kilometer einfach so durch. Abseits des Sees ist es dicht bewölkt und kalt, auch deshalb treten wir kräftig in die Pedale. Aber drei Ruhetage zeigen Wirkung. Wir fühlen uns frisch und stark, haben Lust auf die Anstrengung!
Nach 40km gibt es einen Tee. Von hier an soll die Strecke für 22km geschottert sein. Aber nach nur 650m kommt wieder frischer Asphalt für 14km, und auch die sich anschließenden 7km Schotter gehen vorbei. Und auf der Zielgeraden nach Entre Lagos tauchen dann zwei Vulkane zwischen den Bäumen auf, einer davon der Osorno, auf den wir noch zwei Tage zufahren werden, und als wir am See ankommen, ist der Horizont voller schneebedeckter Berge.
Da wir vor 14 Uhr ankommen und nicht verschwitzt oder dreckig sind, beschließen wir, dass heute der ideale Tag ist, um mit dem Zelten zu beginnen. Wir finden einen hübschen Platz direkt am See. Nachdem wir uns eingerichtet haben, gehen wir in den Ort zum Essen und Einkaufen, und den restlichen Nachmittag verbringen wir mit Tee trinken, Kuchen essen und baden. Am Abend gibt es ein Feuerchen.
4. Dezember
Lago Ranco bis Entre Lagos
76km, 476HM












Heut ist der Tag der Schluchten (es sind wirklich 3 verschiedene!)
Uns gehts heute gut!
In der Ferne taucht der Vulkan Osorno auf
Land der Mapuche
Der Abfluss aus dem See
Man beachte die Einteilung in Straße (Brücke) und Radweg (Bachbett)
Entre Lagos hat eine Riesenrutsche!
Erste Probecampen mit Kocher und Lagerfeuer
Die Vulkane kommen näher!
Abendstimmung am See
















Nach einem Monat auf dem Fahrrad wird es langsam Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.
Wir haben uns schon ganz schön warm geradelt. Ist es uns in den ersten Tagen noch schwergefallen, Steigungen zu fahren, wird es jetzt zunehmend besser. Der Kreislauf ist auf Touren! Im Vergleich zu Europa sind die Anstiege hier extrem giftig; auf fast allen Touren zuhause haben wir nur selten Steigungen von über 6% erlebt, hier sind 10% über lange Strecken fast „normal“. Das macht bei Radeln einen ganz erheblichen Unterschied!
Mit den Wochen sind wir zwar stärker, aber zugleich eher langsamer geworden. Haben wir zunächst unser „Programm“ abgespult, so tauchen wir mit den Wochen immer tiefer in die Lebenswelt um uns ein. Spontan bleiben wir an Orten, die uns anlachen. Nach fünf Wochen „auf der Straße“ wird auch der Wunsch, anzukommen, spürbar stärker. Gespräche werden länger, mitunter persönlicher. Das kann dann dazu führen, dass wir Mühe haben, wieder aufzubrechen. Unsere Art des Reisens ist letztlich eine dauernde Folge von Abschieden und Ankünften. Mit jedem Aufbruch in der Früh müssen wir uns losreißen, mit jeder Ankunft müssen wir uns einlassen auf einen neuen Mikrokosmos. Manchmal ist dann der Wunsch, zu bleiben, so stark wie hier am Lago Ranco.
Dass wir begeistert sind von Chile und seinen Einwohnern, haben wir ja bereits mehrfach erwähnt. Die Chilenen sind eher zurückhaltend und dann im 2. Schritt hilfsbereit, weshalb das nicht sofort ins Auge springt. Für uns ist gerade das aber sehr angenehm, weil es immer sehr unaufdringlich und abwartend rüberkommt.
Auch die Orte, gerade die Kleinen, haben uns positiv überrascht. Jedes noch so kleine Dorf hat einen eigenen Charakter und ein Dorfzentrum mit gepflegter Grünanlage (meist Plaza de Armas). Zudem haben selbst die winzigsten Dörfer mehrere kleine Läden, in denen man meistens das allernötigste kaufen kann. Wo es allerdings Brot gibt, variiert von Bäckerei (insgesamt eher selten zu finden) zu Haushaltswarenladen über Computerzubehörstore. Am frühen Morgen ist es leichter, Fleisch zu kaufen, bei der verzweifelten Suche nach einem Frühstück habe ich schon abgezogene Hasen angeboten bekommen, bevor ich meine Semmeln im Tabakladen fand. Auch die Öffnungszeiten der Läden sind nirgendwo nachzulesen. Manche schließen schon um 19 Uhr, andere erst um 22 Uhr, mit der Größe des Ladens hat das nicht viel Zusammenhang. Manch kleiner Kiosk ist an das Wohnzimmer der Familie angebaut. Beim Einkaufen auf 5 m² kann ich dann durch die geöffnete Tür den Kindern beim Spielen auf der Couch zuschauen, während die Oma meine Tomaten abwiegt.
Chile ist bei Übernachtung und Einkauf etwas günstiger als Deutschland, aber mit Sicherheit kein billiges Reiseland. Dafür sind das Angebot und die Infrastruktur überwiegend sehr gut und manchmal besser als daheim. So manche Toilette im Wald am Wanderweg ist um Einiges hygienischer als ein deutsches Rastplatzörtchen oder das öffentliche Klo in der durchschnittlichen bayerischen Innenstadt.
Was ich wirklich bezaubernd finde, ist die Vogelwelt, vor allem hier im Süden Chiles. Meine Lieblingsvögel sind die Brillenibisse, die sehr langschnabelig zu hunderten über die Weiden wandern, in Bäumen brüten und ständig laut rumrumoren. Die Laute der Biester und auch die Größe erinnern ein bisschen an Enten oder Gänse. Wenn sie nicht gerade nach Würmern picken oder von ihren riesigen Nestern auf die darunterliegenden Parkbänke kacken, fliegen sie gerne auf die umliegenden (Blech)Dächer der Häuser und schmusen dort miteinander oder kabbeln sich, je nach Gemütslage. Dabei wird mit den großen Entenfüssen kräftig rumgehopst. Gerne um 6 Uhr morgens und gerne auf unserem (Blech)Dach direkt über dem Bett. Dazu muss kräftig gequakt werden. Zum Kaputtlachen!
Aufgebrochen sind wir Ende Oktober in der Zentralzone in Chile, wo es sehr warm ist. Inzwischen sind wir weit im Süden, und die Vegetation hat sich schleichend immer weiter verändert. Zu Beginn waren die Kakteen die dominierende Pflanze, inzwischen sind sie fast vollständig verschwunden, es tauchen immer mehr Farne und rhabarberähnliche Nalca-Pflanzen mit Riesenblättern auf. Die Landschaft wird grüner, feuchter, wilder. Die anfänglichen Obstplantagen weichen Schafsweiden und Urwäldern. Überall gibt es jetzt sprudelnde Bäche, wo wir die ersten Wochen nur ausgetrocknete Betten gesehen haben. Ab nächster Woche sind wir auf der Carretera Austral im Regenwald angekommen.
Natürlich gibt es auch in Chile Corona. Die letzte Welle ist erst vor 2 Monaten abgeebbt. Jetzt ist aber gerade Sommer, und wie auch bei uns gehen dann die Zahlen nach unten. In Chile liegt die Impfquote bei weit über 80%, die Impfkampagne ist außerordentlich gut organisiert. Im öffentlichen Raum herrscht Maskenpflicht, also auch draußen, und die Chilenen halten sich auch weitgehend daran, zumindest, sobald sie auf der Straße jemandem begegnen. In jedem Laden, in jeder öffentlichen Einrichtung steht am Eingang ein Fieberthermometer und einen Spender für Desinfektionsmittel. Beides wir von Allen genutzt. Leider wurde die versprochene Öffnung einzelner (Land-)Grenzen wegen der Omikron-Variante gerade wieder kassiert, wir müssen in Chile bleiben. Wir werden also abwarten müssen, wie es mit unserer Reise im Januar weitergeht. Aber bis dahin ist noch eine Weile!
Fazit November
Unser erster Monat auf der Straße in Südamerika
(die letzen 2 Tage im Oktober nehmen wir hier einfach mit)












Die Gegend wird wasserreicher in Richtung Süden
...Agaven und Kakteen
Der Brillenibis: Laut, allgegenwärtig und witzig!
Immer mehr Farne...
...ersetzen Sukkulenten....
... Und Nalcapflanzen ...


Die nächsten Tage vergehen im Wesentlichen im seligen Nichtstun. Es regnet tatsächlich ein bisschen am Mittwoch und wir schauen dem Regen fröhlich beim Fallen zu, sitzen im Trockenen und lesen, essen, schlafen. An den anderen beiden Tagen kommen als Aktivitäten dann noch schlendern, im Café sitzen und baden dazu. Am Ende des zweiten Ruhetages einigen wir uns schnell darauf, dass wir uns auch einen dritten noch gut vorstellen können. Conni verbringt viel Zeit damit, den Menschen hier beim Leben zuzusehen. Jeden Tag wandern oder radeln wir zum Kap etwa 2km außerhalb des Ortes über einen sehr schönen Wanderweg. Am letzten Tag verbringen wir hier mehrere Stunden und besprechen die bisherige Tour en détail. Der Aufbruch morgen wird schwer!
1. bis 3. Dezember
3 Tage Pause in Lago Ranco
höchstens 5 km












Lago Ranco am Lago Ranco
Im Ort Lago Ranco
Das Haus unserer Vermieterin
Unser Zuhause für 3 Tage
Auf dem Weg zum Kap: schöne Badetage
Schöne Radständer!
Dieser Hund schläft nach einer lauten Partynacht seinen (Bell-)Rausch aus!
Uferpromenade
Gartenarbeiten: Ausbringung von gebrauchten "Rollrasen"
Immer wieder: niedlich Hündchen betteln um Essen und Aufmerksamkeit


















Da seit Tagen für Mittwoch ein Regentag angekündigt ist, beschließen wir, für den nächsten Tag einen wohlverdienten Ruhetag einzulegen. Und weil der weitere Weg unklar ist und die Umgebung der Seen meist die schönste Kulisse bietet, fahren wir heute „nur“ bis Lago Ranco, dem Hauptort des Sees. Deshalb lassen wir uns in der Früh viel Zeit, die fette Bewölkung lockt uns nicht aufs Rad. Stattdessen stelle ich mein Lenkkopflager neu ein, das schleichend mehr Spiel bekommen hatte, und pumpe die Reifen wieder auf Betriebsdruck.
Nach elf Uhr brechen wir auf, kaufen noch ein paar Lebensmittel, und machen uns dann an die vermeintlich kleine Etappe. Den ersten kleinen Anstieg mit bis zu 8% Steigung buchen wir noch unter „Spaß“. Aber schon der nächste Berg bei km7 meint es ernst: gute 100HM, bis zu 17% Steigung, da will das Frühstück wieder raus! Wir machen oben Fotos, rauschen auf der anderen Seite noch steiler wieder runter und trösten uns damit, dass das die einzig große Steigung dieses Tages war.
Tatsächlich folgen 15 entspannte Kilometer auf einsamer Landstraße mit Radweg, gegen den obligatorischen Wind; aber das braucht der Körper inzwischen ja schon fast. Als wir wieder auf den See treffen, machen wir an einem Aussichtspunkt Pause. Hier treffen wir das erste Mal auf andere Reiseradler! Die drei Chilenen, die auch in unsere Richtung radeln, scheinen aber das Konzept des absoluten Minimalismus zu verfolgen, mit kaum Gepäck und Schlafen am Strand. Sie bewundern unsere Räder, wir bewundern ihre Leidensbereitschaft. Wir tauschen uns eine Weile mit Christian, Sebastian und Francisco aus. Nach einer Session mit Gruppenbildern brechen wir dann wieder auf. Und dann wir es so richtig fies.
Es folgen 19km mit 434HM, aufgeteilt auf 24 Anstiege und Abfahrten, nichts davon unter 10%. Mit jeweils gut 30kg Gepäck auf dem Rad heißt das, dass jeder Meter bergauf im 1. Gang gefahren wird und jede einzelne Kurbelumdrehung Überwindung kostet. Gefühlt folgen auf 3 Minuten bergauf 10 Sekunden Abfahrt, immer und immer wieder. Auf halber Strecke dann ein großer Anstieg über knapp 2km, für den wir 26 Minuten brauchen. Als wir endlich Lago Ranco erreichen ist klar: wir haben große Lust auf nicht nur einen, sondern mindestens zwei Ruhetage. Das war einfach zu viel!
Zum Glück ist der Ort wunderschön! Wir finden die schönste Cabana, die wir bisher hatten, und die uns richtig glücklich macht, groß, gemütlich, mit viel Licht, Seeblick, einem schönen Garten und einer liebenswerten alten Dame als Wirtin. Conni kauft fett ein, wir machen einen langen Abendspaziergang, und dann reicht die Kraft nur noch für einen Palta(=Avocado)salat und Rotwein.
30. November
Llifén bis Lago Ranco
46,2km, 665HM














Trüber Andenwald am Morgen
Dafür km-lang bester Radweg!
Immer wieder Flußquerungen, die Seen entwässern sich jeweils in den Nächsten
Zwischenstopp: Kurze Wanderung im Wasserfall-Park
Das erste Treffen mit anderen Reiseradlern!
Steigung macht durstig!
Wir sind fast da: letzte Pause vor Lago Ranco
Wasserfälle gibts hier mehrere
Ferne, schneebedeckte Berge
Und mal wieder: Seeblick!


















Heute ist am Morgen mal wieder keine Sonne zu sehen, meine Haut ist dankbar für die Pause! Trotz vielfachem Einschmieren mit höchstmöglichem Lichtschutzfaktor brennt die direkte Einstrahlung doch ganz schön heftig. Wenigstens einen Sonnenbrand hatten wir bisher noch nicht.
Die Stimmung ist bei Bewölkung aber nicht so toll, und auch die weiterhin eher eintönige, flache Landschaft trägt nichts zur Besserung bei. Es geht leicht bergauf, nur ca. 2%, man sieht es in der Landschaft gar nicht, aber im Tempo macht es sich bemerkbar. Es fühlt sich ganz schön zäh an! Als Abwechslung hält die Strecke eine 7 km lange Schottereinlage mit dazugehöriger Baustelle für uns bereit. Neben uns fährt eine Maschine, die den Schotter umpflügt, wie zur Eröffnung der Radelsaison. Danach wissen wir den Teer wieder umso mehr zu schätzen!
Nach 30 km dahinschleppen gegen den kräftigen Seitenwind wird’s dann doch besser: Gelegentliche Sonnenstrahlen, aber nicht zu viel, die Anden sind als Kulisse im Hintergrund zu sehen und insgesamt wird die Landschaft interessanter.
Nach 50 km erreichen wir den Lago Ranco. Wir fahren erst mal relativ weit oben am See entlang, was uns schöne Ausblicke bietet. Der Lago ist der drittgrößte Chiles. Ab jetzt wird es wieder brütend heiß. Unser Zielort, Llifén, ist nach 70 km erreicht, wir finden eine nette Cabana mit Garten und richten uns ein. Von der Hitze erschöpft schlafe ich bis in den frühen Abend. Dann unternehmen wir noch eine lange Strand-Felsen-Dorf-Wanderung, bevor wir uns in unser schönes Holzhäuschen zurückziehen.
29. November
Los Lagos bis Llifén
70 km, 646 HM












Sobald die Anden im Hintergrund zu sehen sind, wird es schöner!
Irgendwo war Stacheldraht...
Der Lago Ranco
Die Anden sind hier nicht so hoch und sehr grün: Blick in Richtung Argentinien
Abendspaziergang am Seeufer
Tierwohl
Gebirgsbach: schaut aus wie in Oberbayern...
...nur mit Palmen!








Nach einem guten Frühstück versuchen wir es erneut und fragen, ob wir noch eine Nacht bleiben können. Diesmal heißt es: Ja, aber Ihr müsst das Zimmer wechseln. Das ist kein Problem, und so richten wir uns auf einen schönen Tag am See ein. Ich bezahle beide Nächte; dabei möchte ich den Nachlass der Mehrwertsteuer, der durch einen Aushang explizit gewährt wird, in Anspruch nehmen. Die junge Frau an der Rezeption scheint sich nicht auszukennen, liest den Aushang vielleicht zum ersten Mal. Kurz ruft sie jemanden an, um sich rückzuversichern, und dann ist alles klar.
Leider klopft sie fünf Minuten später und entschuldigt sich: sie habe sich vertan, es sei doch kein Zimmer frei heute, und wir müssten leider abreisen. Den Preis der zweiten Nacht hat sie gleich in bar dabei. Das verdirbt uns den Tag natürlich gewaltig, und es bleibt der Eindruck, dass sie sich über die Preisminderung ärgern, aus der ihnen eigentlich kein Nachteil erwächst, und uns daher rausschmeißen. Aber wir akzeptieren, dass wir wohl unseren Flow gestört haben mit dem erneuten Versuch, zu bleiben, und machen uns auf den Weg nach Los Lagos.
Es ist schon fast Mittag, als wir bei strahlendem Sonnenschein losfahren, und entsprechend hart werden die ersten 3,5km, die uns aus dem Ort und 140HM bergauf führen. Der restliche Weg ist aber gut zu fahren, wenn auch ein Wenig eintönig, mit Ausnahme der Querung des Rio Calle-Calle, die zwischen einer Abfahrt von 200HM und einem steilen Aufstieg von 70HM spektakulär schön ist!
Wir fahren nicht bis Los Lagos, von dem wir uns wenig versprechen. Stattdessen nehmen wir uns kurz vorher eine wunderschöne Cabana mit tollem Blick auf und einem Zugang zum Fluss. Conni badet, ich gehe nur bis zu den Knien hinein und werfe stattdessen dem örtlichen Retriever, der uns freudig ans Wasser begleitet hat, immer wieder Holzstücke in den Fluss, die er mit größter Begeisterung holt.
Conni radelt später zwar in den Ort und kauft ein fürs Abendessen. Dann beschließen wir aber, dass das Restaurant 300m weiter auch Gäste braucht, und lassen uns bekochen.
Panguipulli bis Los Lagos
Badewetter
55km, 472HM
28. November


















Blick zurück auf den Lago Panguipulli
Holzerntezeit in Chile
Blick auf eine Mapuche-Ansiedlung
Bushäuschen mit Fenstern: kann ganz schön zugig sein!
Blühende Landschaften
Brücke am Rio Calle-Calle
Versammlung von Brillenibissen auf unserem Dach
Der Weg vom Häuschen zum Fluss
Ausblick von unserer Cabana
Tierische Begleitung beim Baden
Diese Begeisterung beim Schwimmen!
Ganz weit im Hintergrund: Mal wieder ein Vulkankegel






Der Tag beginnt nicht gut: Es ist trüb und kalt, keine gute Stimmung. Der Weg aus Villarrica raus ist schlicht scheußlich, dicht befahren und geht steil bergauf. Es geht uns beiden nicht wirklich gut.
Erst nach den ersten 20 km wird es besser; die ersten Sonnenstrahlen kommen raus und die Landschaft wird immer schöner. Der Verkehr bleibt bis in den nächsten Ort (am nächsten schönen See) so mörderisch. Dort biegen wir ab, und mit einem Schlag sind wir allein mit der schönen neuen Straße.
Es geht den weiteren Tag durch eine Kulisse, die sehr ans Alpenvorland erinnert: Berge, vereinzelt schneebedeckt, dazu Seen, Kühe, Lamas. Wir haben Tee und Honigbrote eingepackt und lassen es uns schmecken mit Aussicht. Ich habe trotzdem noch Hunger und bestelle mir am Stand am Straßenrand Pommes. Die dauern so sagenhaft lange, dass der Daniel eine mittlere Krise erleidet, schmecken dafür aber sehr lecker.
Die Etappe ist kurz, schon am frühen Nachmittag sind wir in Panguipulli, einem entspannten, netten Ort am gleichnamigen See, in den wir uns sofort verlieben. Wir finden ein wunderbares Hotelzimmer mit eigenem kleinen Gartenanteil, den wir leider nicht genießen können, weil uns der See lockt. Als Conni Standup-Paddler sieht, ist der Wunsch nach einem Tag am See manifest; leider hat das Hotel morgen kein Zimmer frei! Wir erwandern den ganzen Ort und beschließen den Tag mit einem Pizzaessen.
Villarrica bis Panguipulli,
Mancher Anfang ist schwer
60km, 619HM
27. November












Architektonische Fundstücke unterwegs
Die KM-Markierungen erinnern an Harry Potter
Aber lecker war es: Straßenverkauf im Nirgendwo
Seeblick, mal wieder mit Vulkan
wir können uns kaum sattsehen!
dann geht es runter zum Lago Panguipulli!
Die Häuser sehen gemütlich aus
Panguipulli in der Abendsonne
Und noch eine leckere Pizza im Arrayan!
Hier warten: Wir wussten nicht, dass es sooo lange dauern kann...
Eine letzte Pause,












Unser Quartier ist nicht so hell und groß wie erhofft, aber trotzdem gemütlich und mit allem ausgestattet, was wir brauchen. Ich freue mich über 3 Abende mit Selbstgekochtem und mache mich auf den Weg zum nächsten Laden.
Unsere Vermieterin hat neben haufenweisen niedlichen Enkeln auch eine oberniedliche Babyglückskatze, die öfter mal bettelnd und maunzend in unser Appartement schleicht. Nicht ganz ohne Erfolg. Nach erfolgreichem Beutezug rollt sie sich dann auf unseren Jacken zusammen und pennt stundenlang.
In Villarrica gibt es alles zu kaufen, was man braucht, und dann noch viel mehr. Wo Touristen erwartet werden, gibt es viel Tand zu verscherbeln (internationale Regel)! Wir überlegen kurz, eine lebensgroße Indianerstatue aus Holz hinten aufs Rad zu schnallen, verwerfen den Gedanken dann aber.
Leider ist es während unseres Aufenthaltes nicht immer sonnig, und dicke Wolken verdecken den Vulkan, der malerisch über dem wirklich sehr schönen See aufragt. Manchmal kriegen wir ihn aber doch zu sehen.
Wir wandern stundenlang am Ufer entlang und genießen den Anblick von Bergen, Wasser und den Tausenden Vögeln, die sich hier rumtreiben. Auf dem Wasser, am Ufer im Gras, auf den Bäumen: überall wimmelt es von unterschiedlichsten Vogelarten aller Größen.
Zwischendurch muss ich tatsächlich noch arbeiten: Meine Kollegen haben nach einem Video gefragt…. Gruß in die verschneite Heimat!
Am 2. Ruhetag wird mir die Ruhe dann zu viel: ich radle nach Pucon, 25 km relativ flach am See entlang. Eigentlich wäre das sowieso am Weg gelegen, aber die Grenze nach Argentinien können wir vorerst nicht kreuzen. Also eine Extratour. Der Daniel will lieber noch faulenzen. Die Straße ist höllisch befahren und hat leider fast keinen Seitenstreifen. Dafür flitze ich ohne Gepäck mit derartiger Geschwindigkeit, dass es einfach nur Riesenspaß macht. Pucon gefällt mir außerordentlich gut: es liegt direkt in den Bergen und hat endgültig eine alpenähnliche Atmosphäre, was durch die Stilart der Häuser noch verstärkt wird. Es ist sehr touristisch angelegt, aber da noch Vorsaison ist, gibt es keinen Rummel. Ich wandere stundenlang herum und esse leckeren Fisch.
Ansonsten tun wir das, wozu Ruhetage eben da sind: Waschen, umsortieren, nachrüsten und eben viel ruhen.
Ruhetage in Villarrica
mit Vulkanblick
25 und 26. November












Gefräßiger Besuch in unserer Cabana
Ufer in Villarrica
Wir gehen stundenlang spazieren
Unsere Cabana im ersten Stock
Strand in Pucon
Alles gut organisiert: nicht nur für Tsunamis, auch für Vulkanausbrüche!
In Pucon verziehen sich die Wolken: freier Blick auf den Vulkan Villarrica





