7. und 13 Januar

Mehr Zeit als geplant in

Punta Arenas

Auf der zweistündigen Fahrt nach Punta Arenas bin ich doch relativ froh, dass wir das nicht geradelt sind. Wir sehen die 4 Männer aus Curacao, die ich in den letzten Tagen kennen gelernt habe, gegen den Wind kämpfen, obwohl nach Angaben von Carlos der Tag heute eigentlich als windstill gilt. Die Landschaft ist eintönig und flach, es gibt keine Orte, dafür ist die Straße umso wilder befahren mit Lastwägen, die es eilig haben und die schmale Straße nicht mit anderen teilen wollen.

In Punta Arenas angekommen setzt dann pünktlich ein kalter Dauerregen ein, der erst am späten Abend wieder aufhört. Die Zimmersuche gestaltet sich einigermaßen schwierig, nicht zuletzt, weil mein Internetzugang mal wieder ausgelaufen ist. Der Süden Chiles ist teuer, das können wir mal wieder feststellen! Nach einer guten Stunde Herumirren finden wir dann schließlich doch noch die perfekte Unterkunft für uns, zwar schon etwas abgewohnt, aber mit großen, gemütlichen, warmen Zimmern und dabei bezahlbar. Wir richten uns ein und versuchen noch ein bisschen Nachtschlaf nachzuholen. Am Nachmittag versuchen wir unser Glück am örtlichen Impfzentrum: Offiziell werden Ausländer nicht geimpft. Aber es geht sehr einfach: Daniel wird einfach in die Warteschlange eingereiht, und nach einer Dreiviertelstunde hat er glücklich seine dritte Impfung im Oberarm. Nebenwirkungen bei ihm: Mal wieder keine. Viel mehr schaffen wir dann heute auch nicht mehr.

Der nächste Tag ist dann schon wieder voller Programm: Handy aufladen, Ort besichtigen, Geburtstag feiern, Pläne schmieden. Wir beschließen, da wir ja jetzt schon mal da sind, von hier aus mit dem Schiff noch weiter nach Puerto Williams zu fahren, der südlichsten Ansiedlung der Welt. Wir buchen also eine Fähre für den Sonntagabend und verschieben unsere Argentinienpläne um eine Woche, um die Situation dort noch weiter zu beobachten.

In Punta Arenas ist es schön, die Häuser sind zumeist solide aus Stein gebaut, was in Chile ja nicht selbstverständlich ist. Es gibt einen langen Sandstrand, an dem wir entlangwandern, und einiges an Interessantem zu sehen und besuchen: Denkmäler, Kreuzfahrthäfen, Fischmarkt, schöne Cafés mit leckerem Kuchen, Buchläden und einiges mehr. Wegen dem öfter mal schlechten Wetter entspannen wir uns aber auch drinnen und lesen viel. Wie Urlaub eben. Was ich an meinem Geburtstagabend dann lerne, ist, dass mein Paso de Movilidad abgelaufen ist, da ich meine 3. Impfung nicht eingetragen habe. Das erste Restaurant weißt uns glatt ab, ein anderes gibt sich glücklicherweise mit meinen Papierimpfausweis zufrieden. Noch mehr, was in den nächsten Tagen zu erledigen ist: Impfung nachtragen.

Am Sontag steht dann die Vorbereitung auf unsere Reise nach Puerto Williams an: Wir wollen große Teile des Gepäcks und die Räder dalassen und dürfen all das in einem Nebenraum des Hostals abstellen. Die Wirtin persönlich bringt uns dann zum 6 km entfernten Fährhafen. Sie ist schon 76 und hat nur eine vage Vorstellung von Verkehrsregeln und der Funktion eines Autos. Ich habe mich selten in einem Auto so gefürchtet. Am Hafen sind wir dann viel zu früh und stehen vor verschlossenen Türen. Der kurz darauf eintreffende Putzdienst lässt uns gottlob ins warme Innere des Terminals. Wir warten und warten. Irgendwann werden wir dann misstrauisch: es ist Mitternacht, das Schiff sollte in einer halben Stunde fahren und es ist außer uns keiner da? Wir finden in der näheren Umgebung eine Hafenmeisterei und fragen. Sind wir vielleicht am falschen Ort?

„Nein, ihr seid ganz richtig“ erklärt uns der Hafenmeister freundlich, „aber das Schiff fährt erst in der Früh um 7 Uhr, weil der Hafen wegen Sturm gesperrt ist“. Ob wir denn keine Mail bekommen hätten? Nein, haben wir nicht!!! Um diese Zeit ein Taxi in die Stadt zubekommen ist aussichtslos, und so verbringen wir eine relativ unbequeme Nacht im Fährterminal. Gut, dass ich meine Isomatte dabei habe! Der angekündigte Sturm pfeift und tobt dann auch bald ums Haus, das sich bei dieser Gelegenheit dann als zugig und undicht erweist.

Um 6 Uhr morgens erscheinen dann die ersten Angestellten der Fährgesellschaft und überreichen uns Tee und schlechte Nachrichten. Wann und ob überhaupt das Schiff fährt ist ungewiss. Wir geben nach weiteren 2 Stunden warten auf und stornieren die Tickets. Die Erleichterung der Hafenangestellten sagt mir, dass diese nicht mit einer Besserung der Situation rechnen. Tatsächlich bleibt der Hafen die nächsten 3 Tage geschlossen.

Was wir leider nicht stornieren können, ist unsere gebuchte Unterkunft in Puerto Williams. Der unverschämte Wirt behält das gesamte Geld, obwohl wir mehr als 24 Stunden vor der geplanten Ankunft absagen. Falls jemand plant, dort hinzufahren: Besser nicht ins Hostal FioFio.

Müde und deprimiert fahren wir in unser Hostal zurück und sind froh, dass wir dort spontan noch ein Zimmer bekommen. Dann geht es ans weiterplanen: Was jetzt? Wir wollen nur noch weg. Der Landweg ist uns versperrt, dann müssen wir eben doch fliegen. Wir buchen kurz entschlossen Flüge über Santiago nach Buenos Aires. Dafür müssen wir einiges erledigen: große Kartons zum Verpacken der Räder auftreiben und dann irgendwie ins Hostal bringen, Räder auseinander bauen, PCR-Test organisieren, Einreiseerklärung für Argentinien ausfüllen. Daran sind wir ja bereits einmal gescheitert. Diesmal klappt alles, wenn auch nicht alles auf Anhieb und Einiges sogar eher zäh. Am Donnerstagabend stehen wir endlich mit allen Unterlagen und gut organisiertem Gepäck am Flughafen von Punta Arenas. Der Checkin klappt reibungslos, und so haben wir gute 3 Stunden Wartezeit. Als kurz nach acht alle früheren Flüge abgefertigt sind, sitzen wir wieder vollkommen allein in einem Terminal. Das macht uns reichlich nervös; aber nach einer Stunde trudeln die ersten Passagiere unseres Flugs ein. Kurz vor Mitternacht sind wir dann in der Luft und fliegen in drei Stunden zurück nach Santiago, von wo wir vor 76 Tagen aufgebrochen waren.

Punta Arenas: Eine Stadt am Meer

Eine Stadt voller Denkmäler

Es gibt viel alte Villen

Wir haben schöne Tage, trotz vieler Problemlagen

Abschiedsbad im kalten Wasser

aber auch Schmuddelecken

Wegen des Sturms bekomme ich keine Pinguine zu sehen. Nur Kormarane.

Es gibt so einige kaputte Stege hier. Die Vögel freut es!

Unser Hostal ist günstig, gemütlich und solide gebaut, zudem hat es einen geräumigen Gemeinschaftsraum mit tollem Blick über die Bucht von Puerto Natales. Vor allem aber ist es warm; es hat eine Zentralheizung, und das ist bei den relativ kühlen Temperaturen hier doch ziemlich nützlich!

Wir haben erst mal wieder viel zu tun: Wäsche muss gewaschen werden, wir brauchen viel Zeit für Recherche, wie es weiter gehen soll und sortieren auch unser Gepäck neu. Bei mir schlägt dann auch gleich am ersten vollen Tag der Bewegungsdrang zu und ich erradele mir den Ort.

Auf der Suche nach einer idealen Ernährungsquelle werden wir gleich am ersten Abend in der Pizzeria Napoli fündig: Neben leckerster echter Pizza, hausgemachten Gnocchi und wunderbarem italienischem Espresso ist der Laden auch eine Fundgrube an Information und Hilfestellung. Die Wirtin, Romina, ist Argentinierin und hat jahrelang in Deutschland gelebt. Sie ist es, die uns schon am ersten Abend hier anspricht und wertvolle Tipps gibt. Ihr Mann kommt aus Italien und freut sich beim Pizzabacken über unsere Begeisterung für den Kaffee. Der gemeinsame Sohn Giovanni, der durch das Lokal springt, ist 2 Jahre alt und ein kleiner süßer Teufel. Am nächsten Morgen bekommen wir dann hier auch gleich einen weiteren Espresso zum Aufwachen und verbringen alle weiteren Abende dort.

Unsere Problemlage, wie es weitergeht, verschärft sich zunehmend durch die Omikron-Variante, die auch hier angekommen ist. Da in Argentinien die Zahlen auf immer neue Höchststände klettern, werden die versprochenen Grenzöffnungen in der Gegend zurückgenommen. Die einzige für uns überhaupt erreichbare Grenze ist in der Nähe von Río Gallegos, 350 km entfernt. Da wir aber einen frischen PCR-Test und eine höchstens 2 Tage alte Online-Einreiseerklärung an der Grenze vorweisen müssen, ist uns wegen der Wind- und Mobildatenlage dieser Weg mit dem Fahrrad nicht möglich. Hier springt Romina ein: Innerhalb von 15 Minuten telefoniert sie ihren Bekanntenkreis ab und organisiert uns eine Fahrt zur Grenze für den Freitag.

Bei mir (Conni) bleiben Zweifel an diesem Weg: Ich befürchte eine Verschlechterung der Situation in Argentinien samt Lockdown. Ich würde lieber noch abwarten, wie die Situation sich entwickelt.

Am Mittwoch mache ich erst einmal einen Radausflug alleine: Bei stärkstem Gegenwind radle ich in 2,5 Stunden die 27 km zur Höhle des Milodon. Überreste des prähistorischen Riesenfaultiers wurden hier im 19 Jahrhundert entdeckt und waren so gut erhalten, dass Expeditionen auf die Suche nach noch lebenden Exemplaren geschickt wurden. Die Höhlen sind schön gelegen in den Bergen und einen Ausflug wert. Jetzt wissen wir wenigstens, welches seltsame Tier Daniels Lieblings-Bierdosen ziert. Es gibt hier mehrere Höhlen in einem kleinen Park und ich wandere 2 Stunden herum, bevor ich mich auf den Heimweg mache, den ich dann mit fetzigem Rückenwind in 50 Minuten schaffe. Das macht Spaß!

Für den nächsten Tag steht ein Ausflug in den Nationalpark Torres del Paine auf der Tagesordnung. Schon früh am Morgen steigen wir in einen Bus voller anderer Wanderer, der uns die 60 km bis zum Parkeingang bringt. Hier treffen wir auch auf fast alle anderen Radreisenden, die wir auf dem Schiff kennengelernt haben. Die Wanderung zur Base del Torres ist dann ganz wunderbar und das Wetter fantastisch, so dass wir im T-Shirt wandern und eine tolle Aussicht auf die namensgebenden Bergzacken haben. Nach mehr als 7 Stunden Bergtour schmerzen die Füße, aber es hat sich gelohnt!

Am Abend kommt dann die nächste Wendung: Als wir um kurz vor 22 Uhr, ungeduscht direkt von der Tour, in unserer Pizzeria ankommen, stellt sich heraus, dass unsere Fahrt am Folgetag auf der Kippe steht: Der Kleinbus des angeheuerten Fahrers hat einen Motorschaden. Erst um 23 Uhr ist klar, dass wir ein Ersatzfahrzeug und einen Ersatzfahrer haben. Bis dahin hatten wir uns eigentlich schon damit abgefunden, dass wir doch noch hier im Süden bleiben und evtl. von Punta Arenas aus einen weiteren Versuch starten, über die Grenze zu kommen. Eigentlich war ich sogar erleichtert, noch in Chile bleiben zu können.

Immerhin ist uns Carlos, unser neuer Fahrer, sehr sympathisch. Der Abend ist noch lang: Wir kommen erst um Mitternacht im Hostal an und müssen noch Packen und Duschen….

Am nächsten Morgen sind wir dann gerädert, verkatert und ich habe auch noch bösen Muskelkater vom Bergabwandern. Wir haben es am Vorabend nicht mehr geschafft, das Einreiseformular für Argentinien auszufüllen und machen uns beim Frühstück daran. Leider klappt das nicht. Die Webseite funktioniert nicht, wir können unsere Daten nicht eingeben. Sind die Grenzen vielleicht doch für Touristen geschlossen worden? Nach einer Stunde verzweifelter Versuche steht dann Carlos vor der Tür. Spontan ändern wir unsere Pläne: Wir lassen uns nach Punta Arenas fahren. Also doch!

4. bis 6. Januar

Puerto Natales

Plaza mit Kirche in Puerto Natales

In der Höhle

Der Höhlenpark liegt schön in den Bergen

Überall wachsen Calafatebeeren, die hier zu Likör und Marmelade verarbeitet werden.

Auf dem Weg von Höhle zu Höhle

Ausflug 2: Torres del Paine Nationalpark

Es ist viel heißer als erwartet!

Steilhang neben dem Refugio, in dem wir am Rückweg eine Pause einlegen

Es lohnt sich. Am Ziel: Mirador Base del Torre

Wasserfälle auf dem Weg sorgen für die Trinkwasserversorgung

Die Tour dauert 7 Stunden (reine Gehzeit)

Auf dem Weg nach oben

In unserer Lieblingspizzeria gibt es Nutellapizza!

Kunstwerk am Meer

Ausflug in den Höhlenpark

Das Milodon ist ziemlich groß. Aber Vegetarier. Zum Vergleich: die Bierdose!

Das Schiff ist kleiner als gedacht. Es sind etwa 100 Menschen an Bord. Jede hat einen Sessel, der bequem ist und sich weit zurückklappen lässt; Schlafen ist darin aber trotzdem ziemlich ungemütlich, in der zweiten Nacht noch deutlich mehr. Daher schlafen so ziemlich alle Touristen, die mit einem Wohnmobil unterwegs sind, im Auto. Im Preis der Fahrt ist Vollpension enthalten, dreimal am Tag gibt es Essen auf Kantinenniveau, Tee, Kaffee, Wasser und Saft gibt es immer. Damit lässt sich leben, Spaß geht anders. Auch das Fernsehprogramm, dass außer während der Nachtstunden läuft, wird eher erduldet als genossen.

Der Spaß besteht aus der Zeit, die wir an Deck verbringen. Denn die menschenleere Wildnis, die zwei Tage lang an uns vorbeizieht, ist absolut spektakulär. Die gesamte Route verläuft durch ein Gewirr aus Fjorden, die zunächst djungeldicht bewaldet, später zunehmend nur noch moos- und buschbedeckt sind. Oberhalb von ca. 200 Metern tragen sie eine feine Schicht aus frischem Schnee, denn es regnet/schneit den größten Teil der 44 Stunden an Bord.

Das Programm beginnt am ersten Morgen mit dem Wrack eines großen Schiffs, dass dicht grün bewachsen ist und von tausenden Vögeln bewohnt wird. Danach gibt es immer wieder engste Durchfahrten zwischen steil aufragenden Felswänden. Immer wieder ziehen wir uns wegen der Mischung aus starkem Wind, Kälte und kräftigsten Schauern ins warme Schiff zurück, aber immer wieder treibt uns die Szenerie an Deck. Während ich gut den halben Tag im Trockenen verbringe, kommt Conni quasi nur zum Schlafen und zu den Mahlzeiten rein.

Einmal legen wir für eine Stunde in Puerto Edén an, wo wir zwar an Land gehen, aber den Fähranleger nicht verlassen dürfen, weil es in diesem Ort bisher noch keine einzige Coronainfektion gegeben hat! Da hier die letzten Angehörigen der Kawesqar leben, deren Stamm durch eingeschleppte Krankheiten der Europäer fast ausgerottet wurde, ist deren Vorsicht gut nachvollziehbar! Mehrere vermummte Frauen verkaufen Empanadas, Schokodonuts und allerlei Kunsthandwerk. Wie mag das Leben sein in einem Küstenort ohne Straßen und Autos, an dem 2mal in der Woche eine Fähre anlegt, und in dem es nahezu täglich regnet?

Auch die meisten Gespräche ergeben sich an Deck, etwa mit Jerome, der vor vier Jahren von Montreal aufgebrochen ist und durch die kompletten Anden geradelt ist, bis er wegen Corona für 1,5 Jahre in Río Tranquilo festsaß. Jetzt macht er seine Tour bis an die Südspitze von Feuerland fertig. Oder Andrés, der praktisch die gleiche Strecke, die wir geradelt sind, auf einem seiner zwei Pferde geritten ist. In einem Pferdetransporter begleiten ihn zwei Angestellte und ein zweites Pferd, damit die beiden Pferde nur jeden zweiten Tag laufen müssen. Auch er ist unterwegs nach Puerto Williams, der südlichsten Siedlung der Welt.

Nur für den Fall, dass jemand der Meinung wäre, dass wir extrem unterwegs sind.

Der Abschied am Abend des dritten Tages von unseren vielen nuen Freunden fällt herzlich aus, und dann suchen wir das Hostel, das wir für 2 Tage gebucht haben, in denen wir entscheiden müssen, wie unsere Reise weitergehen kann.

2. und 3. Januar

Fähre Tortel – Puerto Natales

Am ersten Morgen sind wir schon mitten im Fjord

Gegen Mittag landen wir für eine Stunde in Puerto Eden

Die Fahrt verläuft mitten durch die Fjordlandschaft, es gibt tausende kleine und große Inseln

Nicht immer ist das Wetter gut....

Wir lernen viele Leute kennen: Die Pferde, mit denen Andres durch Chile reitet

In Natales angekommen: Alle 6 Radler, die am Schiff waren

Bald taucht als Attraktion ein Schiffswrack auf

An Deck wächst Gras, rundherum kreisen Vögel

Fin del mundo

1/9/202213 min read