Unsere Cabana ist klein, aber gemütlich und da ist gut, weil es die weiteren Tage fast ununterbrochen regnet. In den wenigen regenfreien Stunden nutze ich die Zeit um Wanderungen durch den Ort und in die nähere Umgebung zu machen. Meistens werde ich dabei dann doch nass.
Tortel hat keine Straßen, die Holzstege und -treppen, die nach unten in den Ort führen, sind einigermaßen rutschig. Der Ort beherbergt auch das übliche Rudel wilder Hunde, die hier aber mangels Autos ein besseres Leben führen. In den Orten, die wir bisher gesehen haben, waren alle älteren Hunde behindert, weil sie quasi alle die verhängnisvolle Neigung haben, Autos zu jagen. Das führt irgendwann zu Unfällen. Hier versuchen die Hunde, Motorboote zu jagen. Ziemlich aussichtslos, dafür aber deutlich verletzungsärmer!
Es gibt viele Kolibris hier, die ich mit großer Freude stundenlang beobachten kann. Auch sonst finde ich den Ort wunderschön. Es ist nicht viel los, in den regenärmeren Stunden kann man hie und da kleinere Grüppchen von Touristen sehen, aber mehr als 15 Personen gleichzeitig sehe ich eigentlich nie.
So vergehen die 3 Tage im Ort mit viel Ruhe, Entspannung und Lesen. Gelegentlich haben wir sogar Internet. Die Chilenen sichern ihr WLAN meistens mit demselben Passwort (12345678), was es uns einfach macht, das Netz eines unbekannten Nachbarn zu kapern.
Daniel bleibt meistens drinnen und heizt fleißig den Ofen nach. Es ist kalt, das Holz, das wir von unserer Vermieterin bekommen, schwankt zwischen feucht und klitschnass, was diese Tätigkeit anspruchsvoller macht als gewohnt. Aber an Silvesterabend gehen wir dann doch zusammen aus und nehmen ein leckeres Silvestermenü mit Traumblick über die Bucht. Wir sind die einzigen Gäste, später kommt dann noch die Familie der Wirtsleute. Böller gibt’s hier keine. Ganz ohne Verbot. Aber bei Dauerregen zünden die eh nicht gut.
Am 1. Januar bleibt dann noch die schwere Arbeit, unsere Räder und das Gepäck den Berg runter zum Anleger zu schleppen. Es sind über 200 Treppenstufen, die wir 3x mit Fracht runter und 2x leer wieder hinauf gehen müssen und dann noch 1,5 km, die wir über rutschige Stege schieben müssen. Wir brauchen fast 2 Stunden. Und nochmal hält das Wetter zu uns: Es fängt pünktlich zu Schütten an, als wir am Anleger unter Dach sind. Dort warten schon weitere Radfahrer auf die Fähre, was das Warten zwar unterhaltsamer macht als erwartet. Als das Schiff kurz nach 22 Uhr um die Ecke kommt, sind wir trotzdem bis auf die Knochen durchgefroren.
30. Dezember bis 1. Januar
Jahreswechsel in Caleta Tortel












Vergleich: Treppe nass und trocken
Mit Bergen in Wolken
und noch mal von weitem bei Sonnenschein
Caleta Tortel liegt am Fjord
Und die Hunde genießen jeden Sonnenstrahl!
Manche der Boote wirken nicht seetauglich
die Katzen meiden den Regen
Bei Flut wird das Wasser zweifarbig
Tristesse am Spielplatz
Ein Denkmal für die ersten BewohnerInnen
Wanderung 1: Mündung des Rio Cochrane in den Fjord
Wanderung 2: Auf die andere Seite des Hügels
Besser nicht vom Weg abkommen: Im Moos steht das Wasser!
Auf dem Weg zum Schiff ist es wieder trocken
Ebbe in Tortel






















Die ganze Nacht stürmt und regnet es, in der Früh stärker denn je. Wir können uns nicht überwinden, in dieses Wetter rauszugehen, sondern drehen uns wieder um und schlafen weiter. Irgendwann hört der Regen tatsächlich auf, wir trauen uns raus. Während wir frühstücken und packen, kommt sogar gelegentlich die Sonne durch. Wir haben die Regensachen parat, und immer wieder wischt ein Schauer über uns hinweg. Aber auch auf dieser allerletzten Etappe auf der Carretera Austral bleibt uns das Wetterglück treu und wir weitgehend trocken. Einige Male stellen wir uns für ein paar Minuten in einem der Bushäuschen unter, die uns durch ganz Chile begleitet haben, bis die Sonne wieder durchbricht. Bei jeder Steigung spüren wir, dass wir reif für die nächste Pause sind. Aber die miese Wetterprognose treibt uns voran, der Wunsch, trocken nach Caleta Tortel zu kommen, ist stärker als die Massenträgheit. Einen Vorteil hat das schlechte Wetter: Keine Tábanos und kaum Straßenstaub, der Conni sonst oft schlimm die Augen reizt.
Nach 43km kommt der Abzweig, an dem wir die Carretera offiziell verlassen. Sie geht weiter über Puerto Yungay, von dort mit der Fähre nach Río Bravo, und dann die letzten gut 100km bis nach Villa O‘Higgins. Aber dieser Weg ist uns versagt, die dortige Grenze nach Argentinien ist derzeit unpassierbar, und deshalb führt unser Weg jetzt noch 22km nach Tortel, wo wir am 01.01.2022 die Fähre nach Puerto Natales nehmen wollen.
Und diese 22km werden richtig lang. Der Schotter ist tief, der Wind kommt uns entgegen, die langen Geraden zehren an den Nerven. Immer wieder baut sich eine riesige Regenwand auf, immer wieder kommen wir glimpflich davon. Als wir quasi schon dort sind, überrascht uns die Strecke mit einem letzten steilen Anstieg. Aber dann haben wir es geschafft. Es ist 19 Uhr, wir sind richtig platt, es ist windig und kalt, und alle Unterkünfte, alle Läden sind geschlossen. Der gesamte Ort ist nur über hölzerne Stege begehbar, was für Radfahrer mit 50kg schweren Rädern nicht ideal ist. Kurz vor der Verzweiflung hilft uns ein junger Mann aus der Tourist Information und bringt uns zu einer Cabana, zu der wir die Räder fast schieben können. Preis und Qualität sind uns wurscht, wenn wir nur endlich am Ziel sind!
Die Wirtin heizt uns den Ofen ein, Conni kocht uns ein Abendessen – und dann ist das Abenteuer Carretera Austral definitiv zu Ende.
29. Dezember
Wildcamp bis Caleta Tortel
66km, 582HM












Die Straßen sind zum Teil wild in den Berg gesprengt
Es wird immer dichter und grüner
Neben dem Weg ist entweder Sumpf oder undurchdringliches Dickicht. Oder beides.
Regenpause. Wir stehen im Trockenen, die Räder im Nassen
Dicke Wolken über dem Urwald
Von den Bergen läuft das Wasser runter
Zwischendrin lässt sich auch wieder die Sonne blicken
Den Regenbogen gibt's zur Belohnung!
Das Ende unserer Zeit auf der Carretera Austral! Wir biegen rechts ab nach Tortel
Wir fahren bis weit in den Abend








Als der Wecker klingelt, ignorieren wir ihn und kuscheln uns nochmal in die Decken. Niemand will so richtig weiterfahren, nur die Vernunft treibt uns dann irgendwann raus. Als wir loskommen, ist es schon nach 10 Uhr und heiß. Mein Rücken tut immer noch weh, die Straße ist saugrob, hat viel Verkehr (der aber schon bald aufhört) und geht bergauf; was braucht man mehr? Wir wühlen uns im Schneckentempo 6km bergauf. Dann ist die erste Höhe erreicht und wir folgen dem Ufer eines großen Sees.
Es folgen mehrere Seen, dazwischen immer wieder längere Anstiege, aber die Landschaft ist immer schön und wir wissen, dass nach 40km der letzte große Anstieg der Carretera mit einer 6km langen Abfahrt endet. An deren Fuß soll ein schöner Platz zum Campen sein, unser Minimalziel für heute.
Als wir dort ankommen, ist der Platz wirklich sehr schön, aber von einem grasenden Pferd belegt, das sich permanent schüttelt und mit dem Schwanz schlägt, um die Schwärme an Tábanos abzuwehren, die auch uns schnell überzeugen, dass wir lieber noch weiterfahren wollen. Immer dabei ist der Gedanke, dass es ab morgen regnen soll, und wir haben keine Ambition, uns unsere phantastische Sonnenbilanz auf den letzten Metern verderben zu lassen.
Zunächst ist die Straße wieder schlecht und langweilig. Aber bald setzt sich der Urwald mehr und mehr durch. Die 300HM der Abfahrt haben uns aus der kargen Bergwelt in einen Regenwald mit schneebedeckten Gipfeln ringsum versetzt. Die Schönheit der Landschaft, kombiniert mit dem Bewusstsein, dass die Anstrengungen der Carretera jetzt fast vorbei sind, wir unseren Endpunkt tatsächlich aus eigener Kraft erreichen werden, treibt uns die Tränen in die Augen, und wir lassen uns treiben. Mitten im Wald verkauft uns eine Frau zwei frisch gebackene Brote für 1.000 Pesos und schenkt uns noch ein Glas Marmelade dazu. Irgendwann träume ich davon, einfach immer weiter durch die Nacht zu fahren, bis wir in Tortel sind. Aber ein kleiner Anstieg im tieferen Schotter macht uns klar, dass wir eigentlich ziemlich mit den Kräften am Ende sind. Als wenig später ein Zugang zum Fluss mit einer ebenen Kiesfläche auftaucht, bauen wir dort unser Zelt auf, waschen uns im Fluss, und als Conni gerade das Essen fertig hat, beginnt der Regen. Wir flüchten mit Essen und Tee ins Zelt, gratulieren uns zum Timing und schlafen wenig später.
28. Dezember
Cochrane bis Wildcamp im Schotter
60,3km, 933HM












Erwähnte ich schon, dass ich Wasserfälle liebe?
Der Käse ist ganz unten heißt: Alles Essen auspacken!
Nur gelegentlich gibt es hier noch Bauernhöfe
Der letzte Tag mit Sonne: Es staubt mal wieder herrlich!
Neue Freunde am Wegesrand (10)
In den Tälern wird es immer sumpfiger
Eine letzte Brücke....
...bevor wir das Zelt aufschlagen






Beim Frühstück erklärt uns Dona Ester, dass der weitere Straßenverlauf total eben sei, nur am Ortsende gibt es einen kleinen Anstieg. Wir sind gerne gewillt, das zu glauben, auch wenn unser Routenkalkulationsprogramm etwas anderes sagt. Aber das hat uns in letzter Zeit so oft angeschwindelt!
Total eben ist offensichtlich Interpretationssache; denn so viele Höhenmeter auf so wenig Strecke wie heute, bin ich bisher noch nicht oft gefahren. Zumindest kommt pro Stunde höchstens ein Auto vorbei.
Aber zunächst fängt der Tag mal gut an. Daniels Schmerzen sind zumindest nicht schlimmer als gestern und der Schotter ist einigermaßen im fahrbaren Bereich. Schon eine Stunde nach dem Frühstück meldet sich bei mir der kleine Hunger, und als wir an einer der hier verbreiteten sündteuren Fliegenfischerlodges vorbeiradeln, kommen wir auf die Idee, auf einen Kaffee einzukehren. Das freundliche Personal lässt uns in den Frühstücksraum, serviert uns Kaffee und Weihnachtskuchen (so was ähnliches wie Osterbrot, nur anders) und will dann anschließend kein Geld von uns haben. Anscheinend wirken wir arm und halbverhungert!
Der weitere Verlauf der Carretera Austral ist in dieser Gegend von Bergen und Flüssen geprägt. Den ganzen Tag geht es steilst bergauf und dann wieder runter, dort ein toller Canon, da ein Zusammenfluss zweier grünblauer Bäche, Gletscher als Hintergrundkulisse.
Wir kommen nach ca. 5 Stunden Fahrt dann in Cochrane an, wo wir uns wieder eine Cabana mieten. Die ist so abenteuerlich alt und schäbig, dass es schon wieder lustig ist. Aber die uralte Vermieterin ist ein echter Goldschatz! Zum zweiten Mal heute bekommen wir Kuchen geschenkt, und für 2.000 Pesos wäscht sie unsere Klamotten so, dass sie genauso dreckig, aber wohlriechend sind!.
Hier wollen wir eigentlich einen Pausentag einlegen. Den können wir auch gut gebrauchen, ich bin ganz schön platt! Aber nach einem Blick auf den Wetterbericht kommen uns Zweifel: Für morgen steht da Sonnenschein, danach ein Tag durchwachsen mit nächtlichem Regen und dann 5 Tage Dauerregen. Für letzteren ist die südliche Carretera Austral ja auch berüchtigt! Wollen wir wirklich einen Tag Sonne im Ort verschwenden, um dann 3 Tage im Regen nach Caleta Tortel durchzuradeln? Am Samstag geht unsere Fähre von dort nach Puerto Natales, und bis dahin ist kein trockener Tag mehr in Sicht. Und Bergkulissen mit Gipfeln in den Wolken sind auch nur der halbe Spaß!
Nach langem Hin und Her beschließen wir, gleich morgen weiter zu fahren. Dafür müssen wir noch einiges besorgen, da es unterwegs zwingend auf mindestens eine Nacht im Zelt hinausläuft. Läden gibt es erst wieder in Tortel. Nach dem Einkaufen gehen wir noch gemütlich essen, bevor wir uns in unsere Cabana zurückziehen.
27. Dezember
Puerto Bertrand bis Cochrane
47,7km, 1.010HM












Busimbiss am Ende des Dorfes
Der Rio Baker ist der wasserreichste Fluss Chiles
Heute ist der Tag der Flüsse: Hier fließen Rio Baker und Rio Chacabuco zusammen
Wir fahren Ihm entlang viel rauf und runter
Am Morgen ist das Wetter wieder gut: Ausfahrt aus P. Bertrand
Kurz vor Cochrane wird es nochmal saftig grün
Plaza de Armas in Cochrane
Eine letzte Flussansicht für heute!
Staub und Schweiß und Sonnencreme verbinden sich zu einer herrlichen Melange, die bestimmt prima gegen die Sonne hilft!






Der Abschied vom wunderbaren Rio Tranquilo fällt uns nicht leicht. Wir kommen auch mal wieder später los als gedacht, müssen noch mal umkehren, weil ich meine Trinkflasche vergessen habe. Die Stimmung ist gedrückt, wir wissen nicht recht, wie es am weiteren, sehr einsamen Weg wird, und zu allem Überfluss hat sich der Daniel beim Kajak fahren den Rücken gezerrt und hat bei jeder Bodenwelle Schmerzen. Und der kommende Weg hält viele Bodenwellen bereit! Es geht erst mal so richtig rauf und runter, mit Steigungen im zweistelligen Bereich, Waschbrettrillen in Dezimeterstärke und zum Teil zentimetertiefem losem Schotter. Wir kämpfen uns voran, der Blick auf den wunderbar blau glänzenden See in der Sonne und auf die fernen Gletscher des nördlichen Eisfeldes entschädigt für manches, aber nicht für alles. Zum Glück ändert sich die Bodenbeschaffenheit nach etwa 20 km und wechselt von hier ab alle paar km zwischen babypopoglatt und ärgerlich holprig, ist aber immer einigermaßen fahrbar. Die meiste Zeit haben wir heute Rückenwind, was auch hilft, die Laune zu heben. Wir fahren einige km durch ein sumpfiges Tal bevor es in die nächsten Steigungen geht. Zum Teil haben wir hier Ausblick auf gleich drei Seen in unterschiedlichsten Blautönen!
Wir haben uns entschieden, den Versuch zu wagen, nach Puerto Bertrand durchzufahren. Es stellt sich bald heraus, dass wir bei unserem Tempo dafür etwa 7 Stunden auf den Rädern verbringen müssen, aber die Aussicht auf eine Nacht im Zelt mit bösen Rückenschmerzen bei zudem angekündigtem Regen ist nicht allzu verlockend. Aber zumindest mir macht die lange Fahrt zunehmend Spaß.
Puerto Bertrand ist tatsächlich die erste Ansiedlung von mehr als 3 Häusern, die wir zu Gesicht bekommen. Das Nest wirkt absolut verschlafen und mangels Leuten, die wir auf der Straße fragen könnten, tun wir uns mit der Suche nach einer Unterkunft zunächst schwer. Dann werden wir auf der Straße von Dona Ester aufgegabelt, einer resoluten alten Dame, die uns schnurstracks zu ihrem Hostal führt und uns in einem der Zimmer verstaut. Die Unterkunft ist nicht wirklich ein Traum, aber günstig und vollkommen ausreichend, und Dona Ester kocht dann auch für uns noch ein leckeres Abendessen. Dazu hätte mir heute wirklich die Energie gefehlt. Und das will ja was heißen! Gleich nach unserer Ankunft beginnt es zu regnen und hört erst am frühen Morgen wieder auf. Hört sich schön an, wenn man in einem warmen Bett liegt!
26. Dezember
Río Tranquilo bis Puerto Bertrand
68,7km, 1.252HM












Der Schotter ist zum Teil furchtbar!
Mittagsspause mit Seeblick
Der Abfluss des Lago General Carrera
Aber von Ferne haben wir schöne Ausblicke auf das nördliche Eisfeld!
Es geht mal wieder rauf und runter, am See entlang.
Es kommen immer mehr Seen. Jeder hat seinen eigenen Blauton
Campen oder doch weiterfahren...?
Das Wetter ist für Weiterfahren!
Endlich da: Nach fast 70 km und 7 Stunden!






Es ist mal wieder heiß! Mittags kann man fast nicht vor die Tür gehen, deshalb versuchen wir, möglichst alles Wichtige vormittags zu erledigen, was gar nicht so leicht ist, weil wir mal wieder lange schlafen. Neben weiteren Beutezügen im Supermarkt, Wäsche waschen und einer Ortserkundung will ich noch Belén aus der Touristeninformation zum Dank für Ihre Hilfe auf ein Bier einladen. Sie sagt begeistert zu, und wir treffen uns in Ihrer Mittagspause mit ihr und einem Kollegen in der örtlichen Cerveceria, die noch bis 17 Uhr offen hat und dann auch wegen Weihnachten für mehrere Tage schließt. Das Gespräch ist lebhaft, interessant und lustig und wird auf mindesten 3 Sprachen geführt. Der junge deutsche Kellner Julian steuert auch immer wieder Beiträge bei und übersetzt geduldig alles, was wir nicht auf Spanisch oder Englisch ausdrücken können.
Belén und Michael müssen dann wieder in die Arbeit, wir beschließen auf mehrfache Empfehlung, den Hausberg zu besteigen. Das erweist sich als schwerer als gedacht, weil wir einfach den richtigen Weg nicht finden. Daniel gibt nach einer Stunde auf, ich stapfe erbost ins Dorf, um mir weitere Anhaltspunkte für den richtigen Aufstieg geben zu lassen. Wieder hilft mir Julian; er empfiehlt mir eine Offline-Wander-App, die diesen Wanderweg am Handy anzeigt.
Und schon klappt es dann! Der Weg ist steil und anstrengend, aber er lohnt sich; Am Gipfel habe ich eine grandiose Aussicht auf den See und Rio Tranquilo. Hin und zurück dauert es keine 2 Stunden, und so bin ich gegen 20 Uhr zu Hause, um noch ein fettes Weihnachtsessen zu kochen. Es gibt Lachs, Bratkartoffeln und Gemüse, zum Nachtisch Obstsalat. Wir sind übrigens fast die einzigen, die drinnen essen: Weihnachten ist in Chile eher ein Grill- und Sommerfest.
Am nächsten Tag steht früh am morgen ein Paddelausflug zur örtlichen Attraktion, den Capillas de Marmol auf dem Programm, den ich gestern noch gebucht habe. Ganz schön teuer, aber ein bisschen Touristenrummel will ich mir doch gönnen! Der Ausflug dauert 3 Stunden und ist wunderschön! Die Marmorhöhlen in den Felsen sehen faszinierend aus, durch einige kann man mit dem Paddelboot durchfahren. Die Tour darf man nur mit einem Führer machen, sie ist auch strikt reglementiert, da in den letzten Jahren viel Unfug passiert ist. Zum Beispiel hat ein Tourist wohl die Höhle mit Farbspray „verziert“.
Der Rest des Tages gehört dann schon fast wieder den Reisevorbereitungen; ich sortiere alles durch und packe um. Später schlendern wir noch 2 Stunden durch den Ort und die nähere Umgebung, bevor wir unseren letzten Abend Indoor genießen.
24. und 25. Dezember
Weihnachten in Puerto Río Tranquilo












Der örtliche Hauptplatz
Unser Ausflug auf den Berg: Im Heckenrosental
Der Gipfel ist nahe!
Erwähnte ich schon, dass ich diese Blüten liebe? (und auch die Früchte!)
Grüße an alle Feuerwehrler daheim: Die Bomberos in Rio Tranquilo
Die Aussicht von oben
Paddel-Ausflug zu den Marmorhöhlen












Wir werden früh wach und sind um acht Uhr fertig zur Abfahrt. Die beiden Missionare im Auftrag des Herrn verabschieden uns sehr freundlich, füllen noch unsere Thermoskanne mit heißem Wasser für Tee, und dann sind wir endlich wieder unterwegs! Das ist ein sehr erleichterndes Gefühl, auch wenn die beiden wirklich auch nett waren, und wir unterhalten uns die nächsten Stunden beim Radeln über den vergangenen Tag.
Die Strecke des Tages ist sehr schön. Wir folgen weiter dem Río Murta, bis wir den Lago General Carrera erreichen, den größten See Chiles. Von überall her strömt Wasser hierher, und der von hohen Bergen eingefasste Gletschersee bietet ein phantastisches Panorama. Allerdings birgt die Straße heftige Anstiege bis über 20%. Deshalb sind wir froh, als wir mittags in Río Tranquilo ankommen.
Da wir die Adresse der Unterkunft nicht finden können, die wir gebucht haben, gehen wir zur tourist information. Die nette junge Frau dort schaut die E-Mail mit der Bestätigung an und weiß gleich: die Unterkunft ist nicht in diesem Ort, sondern in Coyhaique, wo wir vor einer Woche waren. Es fällt uns schwer, zu glauben, aber nachdem sie uns auf ihrem Handy einen Hotspot eingerichtet hat, können wir die Bestätigungsmail genau anschauen mit Wegbeschreibung, und müssen einsehen, dass wir da irgendwas falsch gemacht haben. Wir haben noch eine Stunde Zeit zu stornieren und verlieren „nur“ ca. 150€. Shit happens.
Aber unsere Helferin, Belén, besorgt uns mit ein paar Telefonaten eine sehr schöne und günstige Cabana im Ort, und so trösten wir uns über unsere Dummheit hinweg. Wir kaufen jede Menge Essen ein für die kommenden Weihnachtstage, an denen es keine offenen Restaurants geben wird, und nutzen dann die letzte Gelegenheit zum Ausgehen.
23. Dezember
Casa de Dios bis Puerto Río Tranquilo
32,3km, 467HM












...und manchmal ganz ok.
Frühstückspause mit Seeblick
Immer wieder tolle Flüsse
uuups, da ist wohl ein bisschen Hang locker geworden!
Der Schotter ist heute mal tief....
und Wasserfälle
Der Lago General Carrera mit Bergpanarama
Zwischendurch gehts auch mal durch eine Allee
Endlich da: Entspannung auf der Couch






Unser Zelt ist so gut versteckt unter Bäumen, dass uns das Tageslicht nicht weckt. Als wir von alleine wach werden, erwarten wir, dass es wie jeden Morgen gegen 7 Uhr ist. Tatsächlich ist es 10:40h, wir haben den Vormittag verschlafen! Bis wir gefrühstückt, das Camp abgebaut und Räder und Gepäck auf die Straße zurückgetragen haben, ist es nach 12h. Aber wir haben bis zu unserer „Weihnachtsresidenz“ nur noch 45km, die sind zu schaffen.
Die Straße wechselt zwischen tiefem, welligem Kies und flacher Sandpiste, ist aber ziemlich eben, und so kommen wir gut voran. Nach nicht einmal 1,5 Stunden fällt uns in einem Garten ein Schild in hebräischer Schrift auf, das Conni fotografiert. Als wir weiterfahren wollen, kommt vom Haus ein Mann gelaufen und ruft: „Coffee, Coffee!“ Wir schauen uns gegenseitig an und sind uns einig: Ein solches Angebot sollte man nicht ablehnen. Also machen wir kehrt und schieben unsere Räder in den Garten. Als der freundliche Mann das Tor hinter uns wieder mit einem Vorhängeschloss verschließt, haben wir zum ersten Mal das Gefühl, in eine Falle gegangen zu sein.
Wir sitzen unter einem Pavillon im Garten, werden neben dem Kaffee auch noch mit Brot und Käse bewirtet, wenig später kommen ofenfrische Tortillas und Spiegeleier dazu, und das Gespräch ist angenehm. Wir erfahren, dass die beiden Männer meines Alters, Victor und Saír, die hier zusammen leben, von Gott berufen sind, seine Wahrheit zu verbreiten. Nicht unser Ding, aber völlig in Ordnung. Als wir soweit sind, dass wir weiterfahren wollen, hält unten am Tor ein Auto und wird eingelassen. Ihm entsteigen vier junge Israelis, die uns spontan sympathisch sind, und so beschließen wir, noch zu bleiben. Das Gespräch wird lebhafter, wir lernen viel über Israel, und der religiöse Diskurs dreht sich um die Beziehung zwischen den „mosaischen“ Religionen. Dabei haben wir immer deutlicher das Gefühl, dass diese jungen Israelis die eigentliche Zielgruppe unserer Gastgeber sind; Conni und ich hören jetzt meist nur zu. Es wird im weiteren Verlauf klar, dass die Schilder an der Straße und die ganze Inszenierung dazu dient, junge Reisende aus Israel von der Straße zu fischen, um sie zum wahren Glauben zu führen.
So vergeht der Tag, und wir nehmen die Einladung zum Übernachten an. Es wird Reis mit Meeresfrüchten gekocht, danach gibt es ein (Gewehr-) Wettschießen, an dem wir nur ungern teilnehmen, dann wird Volleyball gespielt und wieder gesprochen. Der missionarische Auftrag nervt alle anwesenden Gäste erkennbar, etwa dass Conni und ich gefühlt ein Dutzend Mal zu hören bekommen, dass wir in Sünde leben, aber insgesamt ist die Stimmung gut. Schließlich geht es an die Verteilung der Schlafplätze, und plötzlich diskutieren die Israelis, ob sie nicht lieber weiterfahren wollen. Offenbar haben sie keine Lust mehr auf die Dauerbotschaft, sie seien zwar das erste Volk Gottes, müssten aber endlich den Herrn Jesus als den Messias anerkennen. Das tun sie schließlich, und wir sind in der Zwickmühle. Für uns ist es zu spät, um noch irgendein mögliches nächstes Ziel zu erreichen. Allein mit den beiden Christen aber fühlen wir uns unwohl.
Wir bleiben dennoch, und das lebhafte Gespräch des restlichen Abends bis nach Mitternacht ist dann entspannter als befürchtet. Obwohl wir schon den ganzen Tag essen, macht Saír noch eine riesige, sehr leckere Pizza auf dem offenen Feuer, die wir komplett aufessen, und dann kriechen wir in die neu gebauten Stockbetten. Die sind so schmal, dass ich mich kaum traue, mich umzudrehen, und leider habe ich Alpträume, in denen wir die Opfertiere für Our Lord Jesus Christ sind…
22. Dezember
Die Ufer des Río Murta bis zur Casa de Dios
14,3km, 115HM












Dafür ist der Rio Murto auch weiterhin sehr schön!
Haus- und Lebensregeln
Aufbruch: Die Straße ist sehr staubig
Dieses Schild macht uns neugierig
wir sind alle eingeladen; die Stimmung schwankt zwischen entspannt und beklemmend
Die Nacht ist nicht wirklich erholsam. Eine Kuh brüllt fortwährend, vermutlich kalbt sie in dieser Nacht, und der Wind rüttelt heftig am Zelt. Entsprechend schlafen wir schlecht. Nach Sonnenaufgang legt der Wind nochmal zu, und es entbrennt eine verzweifelte Diskussion, ob wir gegen den Wind und auf diesem tiefen Schotter überhaupt eine Chance haben, die verbliebenen 100km zu schaffen. Unser Essen reicht für
2-3 Tage, danach wird’s eng. Aber schließlich haben wir keine echte Wahl, außer aufzugeben, und dafür geht es uns doch zu gut.
Also raus aus dem Zelt, zusammengepackt, und ohne Frühstück los. Schon der blaue Himmel über den Bergen hebt die Stimmung ein Wenig. Aber der Gegenwind ist heftig und eiskalt, der Untergrund übel. Zumindest ist die Strecke flach. Erst nach 12km kommt der erste Anstieg und treibt uns an unsere Grenzen. Conni schiebt weite Stücke, während ich minutenweise radle und dann ausschnaufe. Als wir endlich oben sind, machen wir im Windschatten Frühstück.
Danach geht es besser. Die Straße wird immer besser, die Bergwelt um uns macht glücklich, und die üblen Steigungen, die unser Track uns angedroht hatte, existieren wieder mal nicht. Und so haben wir „schon“ nach sechs Stunden auf dem Rad und guten neun Stunden unterwegs unser Soll von 50km für heute geschafft. Und exakt da ist neben uns eine Lücke im Unterholz, durch die wir zum Kiesstrand des Río Murta hinunterkommen. Mit etwas Suchen finden wir unter Bäumen den perfekten Sandplatz für unser Zelt, und dann wird gebadet und gekocht, und dann sind wir früh im Bett.
21. Dezember
Mitten im Nichts bis zum Ufer des Rio Murta
50km, 630HM












Der Wind ist stark, der Schotter tief!
Aber wer kann bei dieser Landschaft lange Trübsal blasen?
Und die erste Steigung kommt schon bald!
Früh am Morgen ist die Stimmung noch etwas beklommen
Badepause am Mittag
Hilfe, ich habe den Daniel geschrumpft!
Am Abend gibt es dann noch mal eine kühle Badeeinheit am Rio Murta
Der vielleicht schönste Platz auf der Tour: in unserer Zelt-Nische am Flussufer






Der einzige Nachteil am Campen ist, dass der Aufbruch so lange dauert! Wir sind zwar schon um 7 Uhr wach, aber bis das Zelt abgebaut, das Frühstück gegessen und alle Sachen verstaut sind, ist es nach 9 Uhr, die Sonne brennt und die Tábanos sind auch schon munter. Dass das Repellente sie davon abhalten sollte, um meinen Kopf zu schwirren, haben sie offenbar auf der Packungsbeilage überlesen! Auf der fetzigen Abfahrt, die wir am frühen Morgen runterfahren, können wir fast alle abhängen, aber danach geht es gleich mal wieder 300 Höhenmeter rauf, und dort haben sie viele Cousinen, die uns die tolle Bergwelt vermiesen wollen. Wir lassen uns aber nicht ärgern. Rund um uns herum gibt es wunderbare Bergwelt mit Bächen und vergletscherten Gipfeln zu bewundern. Es riecht gut und ist wunderbar still. Ein toller, wenn auch schweißtreibender Morgen!
Nach der Passhöhe und der anschließenden Abfahrt sind wir auch schon in Cerro Castillo. Als erstes erkundigen wir uns nach dem Ergebnis der Präsidentenwahl. Gestern Abend waren wir ja von Informationen abgeschnitten. Gewonnen hat Boric, der Kandidat der Linken, der deutschstämmige Vertreter der extremen Rechten hat verloren. Wir sind gar nicht traurig.
Jetzt gilt es zu entscheiden: Bleiben und übernachten im letzten Ort vor dem langen Nichts auf der weiteren Strecke, oder gleich noch mal ein paar km wegradeln, um heute noch möglichst weit zu kommen? Wir entscheiden uns für letzteres, kaufen in den Dorfläden nochmal Proviant für 2 Tage, essen ein riesiges Churrasco und radeln los.
Es ist Mittag, es ist heiß, die Bäuche sind voll, es geht brutal bergauf und der Wind kommt von vorne. Wir kriechen voran, vielleicht wäre in Cerro Castillo bleiben doch eine gute Idee gewesen? Bald taucht ein Schild auf: zum nächsten Camping noch 5 km. Hurra! Wir radeln munter dorthin, aber: eine dicke Kette hängt vor dem Tor, niemand macht uns auf. Der Camping schaut toll aus, gepflegt, schön in den Bergen gelegen, mit Lamas, Hühnern und kleinen Cabanas. Wir beschließen zu warten, ob jemand kommt und setzen uns in die schattige Einfahrt.
Leider kommt niemand. Nach 2 Stunden geben wir auf und radeln weiter. Die Stimmung ist aber im Eimer. Es wäre zu schön gewesen! Jetzt radeln wir ins Ungewisse. Auf den nächsten 100 Km ist keinerlei Infrastruktur zu erwarten.
Und prompt kommt es auch schon dicke: Der Wind (von vorn) entwickelt sich zum Sturm, der ehemals schöne Betonbelag weicht bösestem Baustellenschotter. Ich muss teilweise sogar bergab schieben. Die Stimmung sinkt auf den Nullpunkt. Es gibt auch mal schlechte Zeiten auf Radtour! LKWs donnern an uns vorbei und hüllen uns in dichten Staub. Wir eiern im Schneckentempo durch üblen, tiefen Waschbrettbelag und halten verzweifelt Ausschau nach einem Platz für unser Zelt. Links Busch und Berg, rechts Zaun und Sumpf. Endlich taucht ein Haus auf, die Bewohner stehen im Garten. Ich frage sofort nach der Erlaubnis, in einer Ecke des Grundstücks zu zelten. Wir dürfen! Sehr erleichtert, es für heute geschafft zu haben, bauen wir unser Zelt auf, trinken noch einen Tee, während die 5jährige Tochter des Hauses uns munter auf Spanisch zu plappert, und kriechen dann ziemlich ungewaschen in die Schlafsäcke.
20. Dezember
Camping Cerro Cartillo bis mitten im Nichts






















Im Gebirgsbach: besonders scheues Exemplar der Gattung Radfahrer im Fluß!
Der gleichnamige Gebirgszug heißt grob übersetzt Burg am Berg. Einleuchtend!
Am Morgen geht es den Pass hinauf
Endlich oben
Abfahrt nach Cerro Castillo
...karge Felsen....
leider ist am Rand alles voller Zäune
Erst nach langer Suche finden wir eine Gartenecke zum Zelten
.....grünblaue Lagunen....
....und allerlei schöne Ausblicke
Auf dem weiteren Weg gibt es reißende Flüße...
Eigentlich wollten wir früh aufbrechen, aber das klappt nicht wirklich. Erst verschlafen wir, dann bringt mich eine Mischung aus Midlifecrisis und Konsumwut dazu, noch einen Versuch zu starten, Einkäufe zu erledigen….Erst nach 10 Uhr sind wir dann auf der Ausfallstraße Richtung Süden. Normalerweise sind solche Stadtausfahrten ja scheußlich, aber heute ist wegen Sonntag wenig Verkehr, es gibt quasi keine Industrie und Coyhaique liegt derart schön in der Bergen, dass der Aufbruch richtig Spaß macht.
Heute steht ein Pass auf dem Programm, den wir nicht ganz fahren wollen. Die Strecke ist schon vor dem Fuß des Berges sehr anstrengend; auf den ersten 25km lauern schon 500 Hm auf uns, die bezwungen werden wollen. Was uns hilft ist der Wind: Der bläst derartig fetzig von hinten, das das bergauf radeln sich richtig gut anfühlt. Wir sind auch gut ausgeruht, und die Taschen sind vollgepackt mit allerlei leckeren Vorräten, wir sind fröhlich und guter Dinge. Die Landschaft ist hier deutlich trockener als auf den letzten Abschnitten, da das nördliche Eisfeld im Westen den größten Teil des Niederschlages von hier abschirmt.
Im Laufe des Mittags überholen wir ein anderes Reiseradlerpaar, von denen die Dame sichtlich erschöpft ist. Wir bieten Hilfe an und erzählen von dem Camping, der an dieser Stelle nur noch 8 km entfernt ist. Eigentlich wollten die beiden heute noch über den Pass, aber uns erscheint das wenig realistisch, so wie die beiden auf uns wirken. Und tatsächlich: Als wir es uns auf dem Waldcampingplatz gerade gemütlich gemacht haben, trudeln die Beiden auch dort ein.
Der Campingplatz ist toll: im Nationalpark, inmitten des Bergwaldes, mit Wasser an jeder Zeltstelle, es gibt Sanitärgebäude und sogar einen großen Aufenthaltssaal mit offenem Kamin, den wir aber nicht nutzen. Jede Zeltstelle hat einen eigenen Namen, wir sind am Eulenplatz. Dort steht eine kleine Hütte mit Bänken und einem Klapptisch. Das erweist sich als Glück! Das einzige, was die Freude an diesem wunderschönen Platz trübt, sind nämlich die Tábanos, die es hier mal wieder zu tausenden gibt und die mich beißen wollen. Tábanos mögen es heiß und sonnig, in Hütten fliegen sie nicht rein. Und so lege ich mich erst mal in die schattige Kühle und schlafe eine Stunde, bis die böse Brut sich wegen der kühleren Temperaturen verzogen hat.
Im Nationalpark lässt es sich auch prima wandern, und so nutze ich den langen Tag (es ist um halb elf abends noch nicht wirklich dunkel) und erkunde nach dem Abendessen noch über eine Stunde die tollen Pfade im Bergwald.
19. Dezember
Coyhaique bis Camping Cerro Castillo
61,4km, 1.262HM












Die Landschaft ist wieder trockener
Unser Zelt am Eulenplatz
Es geht bergauf!
Auf meiner Wanderung im Park: verwunschener Märchenwald
Kurz nach Coyhaique: Diese Landschaft nennt sich chinesische Mauer
Am Ende des Weges gibt es eine tolle Aussicht als Belohnung
Berglandschaft in der Abendsonne
So habe ich mir den verbotenen Wald vorgestellt!
Neue Freunde am Campingplatz: ein Vögelchen mag unsere Krümel schnorren






In der ersten Nacht in Coyhaique schlafe ich mehr als 12 Stunden, so sehr hat mich die Strecke gestern mit Hitze Wind und Steigungen geschlaucht. Als wir dann mit dem Frühstücken fertig sind, ist es fast Mittag und zu heiß für alles. Hitzewelle auf der Carratera Austral!
Für die weiteren Ruhetage ist geplant: viel Lebensmittel-Einkauf (der nächste 200 km-Streckenabschnitt ist eher einsam und verlassen), Räder warten mit Kettenwechsel bei mir, Geld abheben, Apothekenshopping (Schmerzmittel und Bandage für den Arm, Brennstoff für den Kocher, Stechbiesterabwehrspray), Besuch von Buchläden, und ähnliches zur mentalen Erbauung. Und viel Ausruhen sowie Recherche für und Planung des weiteren Weges.
Coyhaique ist eine sehr angenehme Kleinstadt in tollster Berglandschaft. Da es weit und breit keine anderen Städte gibt, bekommt man hier alles, was das Herz begehrt. Die Stadt ist voller Läden, Cafes, Restaurants, es gibt sogar eine kleine Fußgängerzone und Plaza, die im Fünfeck angelegt ist. Derzeit tobt hier der Wahlkampf für die am Sonntag anstehende Präsidenten-Stichwahl. Im Park macht die eine Partei Wahlwerbung mit Musik, Infoständen, Reden, Party, die andere Partei fährt im Autokorso laut hupend den ganzen Tag rund um die Stadt. Ich habe viel Freude beim Betrachten des Spektakels.
Die Tage vergehen mit Erledigungen, Schlafen, Lesen, Wandern in der Stadt und Chatten mit den Kindern. Am Ende sind wir so erholt, dass wir es kaum erwarten können, wieder aufzubrechen auf den letzten großen Abschnitt der Carretera, mit viel Schotter und Erdpiste. Wenigstens um meinen Arm mache ich mir keine großen Sorgen mehr: Die Schmerzen sind fast ganz verschwunden. Hurra!
16. bis 18. Dezember
Hitzewelle in Coyhaique
















Coyhaique liegt mitten in den Bergen
insgesamt ist die Stadt ruhig, ländlich, klein und sympathisch!
Unsere Cabana in einem wunderschönen Garten
Ich wandere stundenlang umher
Die Stadt fällt im Osten zum Rio Samson ab
Am Rand der 5eckigen Plaza de Armas
Bunte Mischung: Helden, Schurken, Musik und halbnackte Frauen
unser Lieblingsplatz auf dem Weg zur Innenstadt
Der Track für diese Etappe wies 2.400HM aus. Zusammen mit dem ewigen Wind aus Süden schien uns diese Etappe daher nicht an einem Tag machbar. Der Plan war, heute die 40km bis zum Abzweig der Straße nach Puerto Aysén zu bewältigen, und dann den ersten offenen Campingplatz anzusteuern.
„Planmäßig“ bläst uns auf diesem Stück der Wind brachial ins Gesicht. Da Conni mit ihrem entzündeten Ellbogen nicht im Windschatten fahren (jedes plötzliches Manöver bedeutet starke Schmerzen), fährt sie für etwa 20km vorn und ich verstecke mich hinter ihr. Die zweite Hälfte darf ich wieder Windschatten geben. Es geht permanent auf und ab in kleinen, aber steilen Wellen. Es ist aber bei Weitem nicht so schlimm, wie der Track es angekündigt hatte. Trotzdem sind wir froh, als wir aus dem engen Tal draußen sind und der Wind sich in der Ebene eher verliert.
Als wir an der Kreuzung die Richtung wechseln und der Wind nun von hinten kommt, machen wir in einer Bushaltestelle Mittagspause. Aber hier ist es scheußlich! Diese Straße verbindet Coyhaique, die größte Stadt in Patagonien, mit seinem Seehafen Puerto Aysén, über den die gesamte Region versorgt wird. Entsprechend donnern Kolonnen von Schwerlastern mit Vollgas über die enge Betonstraße. Wir fürchten für die knapp 50km bis Coyhaique das Schlimmste! Schnell zum nächsten Campingplatz und das Problem auf morgen vertagen!
Der weitere Weg entpuppt zu unserer Freude sich als wunderbar gewundene Straße durch eine tiefe Schlucht, der ersehnte Zeltplatz kommt aber erst nach 15km in Form eines offiziellen Campgrounds am Eingang des Nationalparks Rio Simpson. Die beiden Frauen, die uns entgegenkommen, sind aber nicht das Begrüßungs-, sondern das Rausschmeißkommando. Der Platz sei geschlossen wegen Renovierungsarbeiten. Auch wenn wir nicht verstehen, warum wir deshalb unser Zelt nicht aufstellen dürfen, bleibt uns nur die Weiterfahrt. Zum Glück ist der Verkehr längst nicht so schlimm wie befürchtet, und der Wind schiebt uns spürbar an.
Auf den nächsten Kilometern sehen wir die vielen Wege und Plätze im Park, die für Besucher angelegt wurden, die wir aber leider nicht nutzen können. Denn es wird keinen weiteren Zeltplatz mehr geben, obwohl es entlang dieses wunderschönen Flusses tausende Hektar Wiesen und Kiesbänke am Ufer gibt, die ideal geeignet wären. Zwar finden sich immer wieder Abzweige, die nicht mit einem Tor abgesperrt sind; aber keiner erscheint uns schön geeignet zum wild campen. Als wir schließlich bei km73 am Fuß des großen Berges stehen, ist klar, dass wir bis Coyhaique durchfahren müssen.
Die 7km lange Auffahrt wird ein Erlebnis. Zunächst müssen wir durch einen engen Tunnel. Mit dem Rad ist das kein Vergnügen, weil man immer fürchten muss, dass die Autos einen im Dämmerlicht nicht bemerken. Aber dann entfaltet nach und nach der Wind seine Wirkung. Je höher wir kommen, umso doller bläst er uns bergauf. Erst wenn er kurz nachlässt, merken wir, wie steil es wirklich aufwärts geht. Kurz vor der Passhöhe können wir zu treten aufhören, es rollt auch so weiter, und oben haben wir Mühe, anzuhalten für das Gipfelfoto! Danach ist der Weg bergab eine echte Prüfung! Jetzt kommt der Wind gemein von der Seite und bläst uns unvermittelt mal zwei Meter weit in die Straße hinein. Zum Glück scheinen die chilenischen Autofahrer das zu kennen, sie halten immer genug Abstand. Schließlich geht es nochmal gut 100HM hinauf, und dann sind wir am Ziel dieser ungeplant langen Etappe, finden eine gemütliche Cabana für die nächsten Tage und fallen ins Bett.
15. Dezember
Villa Maniguales bis Coyhaique
88,7km, 1.152HM












Holunderblüte in der Bergwelt
Der Weg ist nicht immer geteert
Am tiefsten Punkt der heutigen Strecke gibt es viel Sumpflandschaft
Im Park: la cascada de virgen...
Am Fluss entlang gibt es immer wieder kleine Brücken ins Hinterland
....und la virgen de la cascada
Neue Freunde am Wegesrand (8)
Kurz vor der Steigung: sollen wir da wirklich rauf?
Gipfelbild mit Blick auf Coyhaique
aber es geht noch mal 200 Höhenmeter weiter rauf!
Da sind wir schon ein Stück weit oben: Blick zurück auf den Rio Simpson
Hier bläst der Wind!
Endlich im Ort! Wir haben es geschafft!
Cabana mit Garten- und Bergblick
Hier im Tal zelten wäre so schön!


















Diese Etappe lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: eine entspannte Fahrt mit sanftem Rückenwind durch wunderschöne Bergwelt. Schöner kann Radreisen kaum sein. Und auch Villa Maniguales ist ein hübscher, lebendiger Ort, in dem wir für wenig Geld eine kleine Wohnung mieten mit Blick auf die Plaza, auf der sich den ganzen Abend die Dorfjugend produziert, säuberlich nach Altersklassen sortiert. Es ist der zweite Tag der Sommerferien, und irgendwie muss die überschüssige Energie ja raus. Ein tolles Spektakel!
Beim abendlichen Spaziergang stellen wir dann fest, dass es am Ortsrand einen mehrere Hektar großen Park gibt, mit Wegen und Bänken, Spiel- und Trainingsgeräten, Einer Ausstellung historischer Landwirtschaftsmaschinen und einem Biketrail. Das alles mitten in ursprünglicher Bergwelt fanden wir erstaunlich. Gab es dafür freie Fördermittel? Wir erwandern den Park und weil Conni noch nicht genug hat auch noch ein kleines Stück einer auswärts führenden wunderbaren Bergstraße.
14. Dezember
Villa Amengual bis Villa Maniguales
59,3km, 588HM
























Es geht erst mal abwärts!
...und Sümpfen....
Aufbruch am Morgen
Die Straße ist wieder traumhaft schön
Vorbei an Seen...
Mittagspause in der Bushaltestelle (=Sonnenschutz)
Ausblick von der Wanderung in der Umgebung
Der Stadtpark mit mit Ausstellungsstücken aus der Landwirtschaft
Diese Baggerruine passt perfekt, gehört aber nicht zum Park
Weihnachtsdeko in Maniguales
Warum ist dieser perfekte Weihnachtsbaum nicht geschmückt?
....und Weiden!
Für 10 Uhr morgens sind wir mit Christian verabredet, der uns über den Schotterpass Richtung Cisnes bringen soll. Um kurz nach neun steht er vor der Tür. Zum Glück sind wir schon fertig mit packen! Es wird ein ziemliches Gefummel, bis wir beide Räder und unser Gepäck in seinem Van verstaut haben, aber er ist völlig entspannt. Die ersten ca. 20km geht es auf bestem Asphalt am Fjord entlang und wir bedauern, dass wir hier nicht radeln können. Allerdings regnet es. Als dann der Schotter beginnt, überwiegt zumindest bei mir (Daniel) bald die Erleichterung. Die Landschaft wird immer spektakulärer und die Piste immer wüster, je tiefer wir ins Land eindringen. Die Passstraße schließlich erinnert eher an ein Flussbett in den Bergen, eingefasst von dichtestem Dschungel. Hier würden wir jeden Meter schieben, mit Connis Arm sogar die Strecke bergab. Ich ziehe meinen Fahrradhelm vor Jeder und Jedem, die diese Straße mit dem Rad bewältigt haben! Conni ist trotzdem traurig und blickt auf die wunderbare Dschungellandschaft, die sie nicht radeln darf.
Gegen Mittag sitzen wir dann auf den Rädern und fahren durch den Regen. Nebelfetzen und grauen Wolken treiben über die Bergspitzen. Ich fühle mich, als bräuchte ich noch mindestens einen weiteren Ruhetag, weil sich die Räder nur schwer drehen lassen. Irgendwann merke ich, dass wir die meiste Zeit bergauf fahren. In der wilden, urwüchsigen Berglandschaft mit Regenwald, Schluchten und Bergen sind Steigungen nicht immer zu erkennen.
Nach guten 20km kommen wir an einem kleinen Refugio vorbei, trinken einen Kaffee und sind versucht, dort zu bleiben. Aber dann fahren wir doch weiter, über einen 200HM-Aufstieg, bei dem der Wind endlich aus der richtigen Richtung kommt, und erreichen Villa Amengual. Hier gibt es ein Refugio para Ciclista, bestehend aus einem großen Raum mit Matratzen und rudimentärem Bad. Wir dürfen in der Küche der Wirtin kochen, und dann rollen wir uns auch schon am Ofen in die Schlafsäcke ein.
13. Dezember
Puyuhuapi bis Villa Amengual
31,2km, 687HM










Dicke Regenwolken hängen in den Bergen
Wo es viel regnet, gibt es viele Flüsse
Es kann losgehen! Nach dem Pass sind die Räder wieder beladen.
Neben der Straße findet sich immer eine Schlucht!
Suchbild: Finde den Wasserschöpfer!
Ein Gutes hat das Wetter: Keine bösen Stechbiester weit und breit!
Da unten gehts weiter!
Die Kirche im Dorf
Innen warm und gemütlich!
Unsere Herberge für die Nacht










Der erste Tag in Puyuhuapi gehört ganz der Erholung. Nach einem üppigen Frühstück mit frischem Brot aus der Bäckerei gegenüber verkriecht sich Conni nochmal im Bett und schläft lange, während ich auf dem Sofa liegend das wunderbare ‚Lovecraft Country‘ von Matt Ruff zu Ende lese. Der echte Regen lässt noch auf sich warten, es schauert immer wieder. Aber es ist zum ersten Mal auf unserer Reise kalt und wir freuen uns an dem kleinen Ofen der Cabana. Da die beiden Lavanderias des Ortes geschlossen sind, erklärt sich erfreulicherweise unsere Vermieterin bereit, unsere Berge an Dreckwäsche zu waschen.
Ab dem Abend und den größten Teil des nächsten Tages regnet es durch, und wir planen im warmen und trockenen Innen die kommenden Etappen, auf denen wir mit viel Schotter rechnen. Da Conni schon seit ein paar Tagen starke Schmerzen im linken Ellenbogen hat, sind wir skeptisch; aber mangels genauer Informationen hoffen wir auf das Beste.
Genau diese Informationen finden wir dann in Form von Luisa Ludwig, die wir beim Spazieren treffen. Sie ist die Tochter eines der deutschstämmigen Ortsgründer und langjährige Hotelbetreiberin. Bereitwillig gibt sie uns Auskunft, dass die schwierigsten 40km inklusive eines steilen Passes nicht asphaltiert seien. Schnell sind wir uns einig, dass es sinnvoll ist, diesen Teil nicht zu radeln beziehungsweise zu schieben, schon weil Connis Arm derzeit nur minimale Belastung aushält. Wir bitten Luisa um Hilfe, und in wenigen Minuten hat sie das halbe Dorf durchtelefoniert und uns einen Transport für morgen organisiert. Dankbar laden wir sie zum Essen ein und genießen ein langes lebhaftes Gespräch, in dem wir sehr viel über die chilenische Gesellschaft lernen.
11. und 12. Dezember
Regentage in Puyuhuapi












Wir haben es aber schön warm und trocken!
In trockenen Momenten gehen wir spazieren
In Puyuhuapi regnet es viel
Manchmal steht Besuch vor der Tür!
Bedachtes Außenbüro: Das WLAN ist leider nur draußen gut!
Dabei lernen wir auch Luisa kennen. Eine tolle Begegnung!
Nach einem kargen Frühstück (1 Tee, 1 Kaffee, 5 Kekse für jede) packeln wir auf und machen uns auf den Weg nach Puyuhuapi. Es ist unser siebter Tag auf dem Rad ohne Pause, für die nächsten zwei Tage ist Regen angekündigt. Zwei gute Gründe für die nächsten Pausentage, und Puyuhuapi ist der größte Ort hier. Nach nur 6km auf der Straße hat ein Foodtruck tatsächlich um diese Stunde schon offen! Wir können nicht widerstehen und ordern Tee und zwei fette Sandwiches mit Huhn, Palta und Tomate, die uns für den ganzen Tag satt machen.
Nach 24km kommen wir durch La Junta, einen überraschend schönen, aber sehr kleinen Ort. Gleich meldet sich die Erschöpfung und schlägt vor, zu bleiben. Aber das würde bedeuten, einen Fahrtag bei bestem Wetter auszulassen; und so kaufen wir nur ein und zwingen wir uns weiter.
Der restliche Tag ähnelt dem gestrigen: wellige Straße, Gegenwind, viel Natur und wenige Menschen. Es ist für den europäischen Blick verblüffend, stundenlang durch ein Naturschutzgebiet und dann entlang eines 10km langen malerischen Bergsees zu radeln, ohne ein touristisches Angebot zu finden. Aber diesmal wissen wir ja, dass im Ziel ein Bett auf uns wartet, und so radeln wir trotz aller Müdigkeit weiter. Immerhin geht es Richtung Meer, also wieder bergab!
In Puyuhuapi besichtigen wir den gesamten Ort, bevor wir an einer Cabana anfragen und auch gleich bleiben. Dann duschen und schlafen wir erst einmal eine Stunde, bevor wir zu Fuß das nette Dorf am Fjord erneut erkunden und einkaufen. Zum Kochen fehlt die Kraft. Wir machen Palta-Tomaten-Salat, und dann ist auch dieser Tag geschafft und wir freuen uns auf den Regen!
10. Dezember
Yungue bis Puyuhuapi
70,2km, 817HM












Neue Freunde am Wegesrand (7)
Endlich ein Weihnachtsbaum!
Morgendlicher Stopp am Foodtruck
Straßenschild mit Rodeo-Deko
Abzweigung in den Schotter bei La Junta: lieber nicht da lang!
Glockenblumenmeer
An diesem Stausee geht es ca. 15 km entlang
und immer mehr Nalca-Pflanzen
Abfahrt nach Puyuhuapi
...und alte Brücke!
neue Brücke...
Abendstimmung am Fjord












Gleich in der Früh wartet ein heftiger Anstieg auf uns, das wissen wir. Daher stehen wir früh auf und haben alles fertig gepackt, als es um acht Uhr Frühstück gibt. Das fällt allerdings im Gegensatz zu allem bisher gesehenen in Chile so üppig und großartig aus, dass wir lange sitzen und genießen. Dann sind die Räder aufzupacken und die Rechnung zu bezahlen. Als wir auf die Straße hinauskommen, ist es bereits heiß.
Auf den ersten 9km schleichen wir uns nur 150HM hinauf, dann wird es ernst. Die nächsten 6km sind so steil, dass wir sie immer nur in kurzen Stücken radeln können. Das ist perfekt für Tábanos, die sich für unser Blut interessieren. Um sie loszuwerden, muss frau sich schneller bewegen, als es der Berg erlaubt. Und so müssen wir während des gesamten Aufstiegs neben treten und schnaufen auch noch Bremsen töten oder kleine Verzweiflungstänze aufführen, wenn gerade wieder mal ein halbes Dutzend von ihnen gleichzeitig angreift. Als wir oben sind, sind wir schon ziemlich mitgenommen.
Wir rauschen den Berg hinunter zum nächsten Ort, Villa Santa Lucia. Hier hat ein Erdrutsch große Flächen verwüstet und Teile des Dorfs und der Straße mitgenommen. Bis Puyuhuapi werden das die einzigen 2km Schotter bleiben. Wir freuen uns auf ein Café, das aber leider geschlossen ist, und Conni jammert so malerisch über die Bremsenpest, dass eine Frau ihrer Tochter das Anti-Tábanos-Spray wegnimmt und ihr schenkt.
Noch einige Kilometer gibt es Übernachtungsangebote an Übernachtungs- und Essensgelegenheiten, aber ab Mittag ist es damit vorbei. Es wird einsam. Es geht stetig bergab, aber in ständigen Wellen, sodass wir kräftig strampeln müssen. Auch der Gegenwind hat sich wieder eingestellt, was Kraft kostet, aber die Tábanos fernhält. Als die Hitze zu schlimm wird, legen wir uns im Wald auf unsere Matten und schlafen eine Stunde.
Dann beginnt allmählich die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Die Kräfte schwinden, die Wellen wollen nicht aufhören, aber es gibt außer einzelnen Häusern absolut nichts. Und rechts und links der Straße machen die Zäune klar, dass wir hier nicht zelten können. Sehnsüchtig schauen wir auf den Rio Frio, der neben der Straße verläuft. Aber das Ufer ist steil und jeder Meter eingezäunt. Schließlich biegen wir in den ebenfalls eingezäunten Weiler Yungue ab und fragen höflich, ob wir unser Zelt am Fluss aufstellen dürfen. Der Wunsch wird gewährt, und als wir nach kurzer Suche eine steile Rinne finden, die bis zum Wasser hinunter geht, haben wir den absoluten Traumplatz gefunden!
Wir baden uns sauber, ich baue das Zelt auf, während Conni wunderbare Nudeln kocht, und dann genießen wir den stillen warmen Abend mit Blick auf ein paar Lamas am anderen Ufer. Als die Sonne untergeht, kriechen wir ins Zelt und schlafen sofort ein.
9. Dezember
Lago Yelcho bis Yungue
70,2km, 1.120HM






Mein Lieblingsbild in unserem tollen Hotel!
Es geht erst mal bergauf, mit Großangriff der Killerbremsen
Radfahren macht durstig!
Zwischendrin endet der Teer
Wassernachschub gibts zum Glück überall!
Zwischendrin gibt es auch mal Betonstraßen, aber das Abendeuer und auch der Verkehr bleiben überschaubar!
Nur noch gelegentlich gibt es Häuser und kleine Bauernhöfe
Mittagspause im Brückenschatten: es ist mörderisch heiß!
Unser Nachtlagerplatz am Fluss nahe dem Weiler Yungue
Immer noch Frühling. Alles blüht
Es geht aber nur kurz durch den Schotter! Rechts sieht man die Reste des Erdrutsch
Immer wieder blaue Flüsse und schneebedeckte Berge!
























Einigermaßen übernächtigt sind wir trotz allem heute Morgen um 9 Uhr, als die Fähre mit etwas Verspätung in Chaitén anlegt. Zum Frühstück gab es schon im Schiff Pulvercappuccino und Kuchen für überteuerte Preise.
In Chaitén müssen wir dann erst noch nachfrühstücken und umpacken und vorsichtshalber doch noch mal einkaufen. Nicht dass wir in dieser Einsamkeit verhungern müssen! Angekündigt in allen Berichten und Reiseführern sind schlechte Schotterwege, viel Regen und Kälte, keinerlei Infrastruktur über hunderte Kilometer. Und Gegenwind.
Tatsächlich erwartet uns strahlender Sonnenschein und Hitze, eine perfekt geteerte Straße, immer wieder Minimärkte und Unterkünfte und, zumindest für 10km, Rückenwind. Wir sausen dahin. Dabei bekommen wir schnell Begleitung: Zu uns gesellen sich die Tábanos, die hiesige, extrem nervige Variante der Pferdebremsen. Sie brummen um unsere Köpfe, setzen sich auf Hosen, Shirts und Mützen und wollen beißen. Ich hasse sie von der ersten Sekunde an! Es hilfst aber nix, sie werden uns wohl noch eine Weile begleiten.
Die Strecke ist so traumhaft schön, dass es sich kaum in Worte fassen lässt. Vergletscherte Berge, Urwald, wilde Flüsse, hunderte Vögel. Es kommt alle 5-10 Minuten ein Auto oder Motorrad vorbei; die meisten winken uns oder hupen anfeuernd. Wir machen nach 45km eine große Rast am Lago Yelcho, schlafen und picknicken. Danach ist es 16 Uhr und trotzdem noch heiß. Wenig später taucht aus dem Nichts ein Hotel auf. Wir beschließen, es für heute gut sein zu lassen. Als wir den Preis für das Doppelzimmer hören, zucken wir kurz. Aber der Flow wird schon wissen, wofür das gut ist.
Wir gehen in der letzten Abendsonne am Strand spazieren. Hier ist der See sehr flach, so dass das eigentlich eiskalte Wasser sich im schwarzen Vulkansand erhitzt. Beim Waten im See kommen wir so zu einer extravaganten Kneipperfahrung mit abwechselnd warmem Wasser am flachen Ufer und eiskaltem, wo immer gerade einer der vielen Bäche einmündet. Nach einer Stunde Wandern bin ich so glücklich wie seit Langem nicht mehr. Entspannung pur. Alles fällt ab.
8. Dezember
Chaitén bis Lago Yelcho,
54km, 364HM












nur Fliegen ist schöner!
Pause am Nordufer des wunderschönen Lago Yelcho
direkt vom Schiff....
....auf die CarreteraAustral!
über Brücken,
und wieder am Fluss entlang
Es geht vorbei an kalten Flüssen,
Abends machen wir einen langen Spaziergang am See entlang durch wilde Landschaften













